Robotersteuerung aus der CNC
Der Roboter aus dem Standardportfolio von Comau ist in die Sinumerik-Steuerung integriert, das heißt er wird direkt aus der CNC angesteuert, was eine besonders hohe Genauigkeit ermöglicht. „Das Programm wird ganz anders abgearbeitet, als in einer klassischen Robotersteuerung“, betont Obermeier. Die klassischen Anforderungen aus der CNC-Technik, gerade hinsichtlich der Genauigkeit, muss die Roboterlösung natürlich auch erfüllen – bei typischen Handling- oder Fügeanwendungen hingegen, benötigt der Roboter diese hohe Präzision normalerweise nicht. Deswegen hat man bei Siemens der Sinumerik beigebracht, eine Sechsachs-Roboterkinematik anzusteuern. Der typische Lösungsweg, Roboterbahnen über die Achsen eins bis sechs und die jeweiligen Winkel zu beschreiben, wurde in ein kartesisches System mit X-, Y- und Z-Achse überführt. Programmiert wird die Kinematik dann wie eine Werkzeugmaschine in G-Code. Diese Features stehen bei der Siemens-CNC als Optionspaket ‚Run MyRobot/Direct Control‘ zur Verfügung. Darin vorbereitet sind auch bereits die passenden Konfigurationen für die jeweilige Kinematik von Comau. Über die CNC lassen sich verschiedene Robotertypen aus dem Portfolio des italienischen Herstellers ansteuern. Vier Modelle aus der NJ-Familie sind besonders für 3D-Druck-Anwendungen geeignet. Da die Kinematiken mit einer sehr hohen Steifigkeit konstruiert sind, eignen sie sich auch für Fräsanwendungen.
Weniger Aufwand, mehr Genauigkeit
Doch warum lässt sich der 3D-Druck nicht aus der klassischen Robotersteuerung realisieren? Christoph Anding, Vertriebsleiter bei Comau in Deutschland, erklärt: „Prinzipiell lässt sich das schon auch mit einem Roboter-Controller lösen. Aber der Programmieraufwand wäre um ein vielfaches höher.“ Denn über den CNC-Workflow lässt sich das spezifische G-Code-Programm aus dem 3D-Modell des zu druckenden Bauteils erzeugen. „Damit spart der Anwender über die klassische CAD-CAM-Kette Tage an Zeit“, so Anding weiter. Ein zweiter Unterschied sei die deutlich höhere Genauigkeit. „Je nach Applikation ist ein optimierter CNC-Roboter um den Faktor 5 bis 10 genauer als ein Standardroboter.“ Durch die vollständige Integration ist keine weitere Steuerungsinstanz oder Blackbox-Lösung dazwischengeschaltet. Die Sinumerik greift über die Sinamics-S120-Umrichter aktiv und direkt auf die Motoren des Roboters zu. Roboter über die CNC anzusteuern ist an sich kein neuer Ansatz. Siemens sammelt schon seit einigen Jahren Erfahrungen mit verschiedenen Roboteranbietern. „Hier ging es aber ursprünglich nur um Schnittstellen zwischen Roboter-Controller und CNC-Steuerung“, blickt Markus Obermeier zurück. Anwendungsbereiche sind dann etwa die Be- oder Entladung von Werkzeugmaschinen. Die Signale aus der CNC werden über die Robotersteuerung zur Kinematik durchgeschleust. Umgekehrt greift die CNC auf die Motion-Daten im Roboter-Controller zu, nicht aber direkt auf die Motoren des Roboters. Dieser Ansatz ist natürlich kostenintensiver – schließlich braucht der Anwender zwei Steuerungssysteme – und geht im Zweifel zu Lasten der Performance.
Offenheit in Sachen Steuerungstechnik
In der Technologiepartnerschaft zwischen Siemens und Comau geht man deshalb einen anderen Weg. „Comau ist einer der ersten Hersteller auf dem Markt, der seine Roboter-Controller geöffnet hat“, erläutert Anding. Kurz gesagt: Man akzeptiere, dass sich der Anwender den Controller spart. „Comau hat zwar eine sehr hohe eigene Wertschöpfung in der Steuerungssoftware, bei der Hardware ist sie aber verhältnismäßig gering.“ Hier setzt der Roboterhersteller seit rund acht Jahren auf Standard-IPC-Technik. Neben der Partnerschaft mit Siemens gibt es bei Comau auch ähnliche Kooperationen mit anderen Steuerungsherstellern. „Jeder Automatisierer ist hier aber in eine eigene Richtung unterwegs, sodass es nicht zum direkten Wettbewerb kommt“, unterstreicht Anding. Siemens zielt mit der CNC-Funktionalität auf ein außergewöhnliches Leistungslevel ab. „Hier kommt man mit einer Standard-Roboterlösung nicht weit“, so Obermeier. „Zumindest nicht, ohne in wochenlange Programmierarbeit oder aufwändige Adaptionen zu investieren. Ein echtes Ready-to-Run-Konzept für den 3D-Druck mit Roboter gibt es nur bei Siemens und Comau.“ Das Anwendungsspektrum geht über die additive Fertigung allerdings weit hinaus. Auch Lösungen zum Fräsen, Entgraten oder zur Maschinenbeschickung sind problemlos umsetzbar. Selbst besonders anspruchsvolle Aufgaben wie das Auslegen von Carbon-Bahnen im Flugzeugbau lassen sich auf diese Weise realisieren.