Interview mit Michael Fraede zur Robotikstrategie bei Weiss

Interview mit Michael Fraede zur Robotikstrategie bei Weiss

„Größere Reichweite, mehr Genauigkeit, höhere Traglast“

Das Unternehmen Weiss ist in der Branche für seine Rundtaktlösungen bekannt. In Zukunft soll auch die Robotik zu einer Kernkompetenz ausgebaut werden. Wie die Strategie dahinter aussieht und welche Vorteile auf den Anwender warten, darüber hat sich ROBOTIK UND PRODUKTION mit Michael Fraede unterhalten, der bei Weiss unter anderem den neuen Geschäftsbereich Robotik verantwortet.

 (Bild: Weiss GmbH)

(Bild: Weiss GmbH)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Fraede, Sie waren über 30 Jahre bei den namhaften Roboteranbietern in Deutschland beschäftigt. Kaum tauchen Sie bei Weiss auf, will sich auch dieses Unternehmen auf die Robotik ausrichten. Wie kam es dazu?

Michael Fraede: Die Frage ist durchaus berechtigt, denn Weiss verortete man bisher in der Tat nicht primär in der Robotik. Jedoch war es bereits dem Gründer des Unternehmens eine Herzensangelegenheit – und damit lange vor meinem Start bei Weiss – sich stärker in Richtung Robotik zu entwickeln. Allein in der logischen Konsequenz, dass Produkte, die über die Rund- bzw. Längstaktautomaten von Weiss laufen, irgendwie in diesen Prozess eingebracht und wieder entnommen werden müssen. Das lässt sich auf verschiedenen Wegen lösen, z.B. über eine Roboterkinematik. Dieses Anliegen war auch dem Sohn des Gründers, dem heutigen Geschäftsführer und Firmeneigner Uwe Weiss, sehr vertraut. Er hat letztlich die Basis dafür gelegt, aus dem Kerngeschäft der Rundtakttische die Robotik als weiteren Geschäftsbereich zu etablieren.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Als der neuen Tochtergesellschaft Weiss Cube.

Fraede: Richtig. Und in Funktion deren Geschäftsführers bin ich jetzt seit knapp einem Jahr an Bord. Daneben bin ich in Personalunion, aber auch für die Unternehmensstrategie in der gesamten Unternehmensgruppe verantwortlich. Ich muss also permanent sicherstellen, dass das Geschäft mit den Robotern und die strategische Ausrichtung in der Unternehmensgruppe gut zusammenpassen. Weiss Cube ist zudem nur eine von fünf neuen Töchtern. Neben der Robotik gibt es noch die Geschäftsbereiche Transfertechnik, direkt angetriebene Linearachsen, Systemtechnik und digitale Services. Jeder mit einem entsprechenden Branchenexperten an der Spitze, um in den Marktsegmenten für die nötige Beschleunigung zu sorgen. Einziger Kunde der fünf Einheiten ist aber die Weiss-Muttergesellschaft.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Weiss setzt also auf technologische Kompetenz-Satelliten, tritt gegenüber dem Anwender aber nach wie vor als ein Anbieter auf?

Fraede: Genau so ist es: One Face to the Customer. Die Töchter sind allerdings nicht allesamt zeitgleich entstanden und haben deshalb unterschiedliche Reifegrade. So trägt z.B. der Bereich der Linearachsen schon deutlich zum Umsatz der Unternehmensgruppe bei, während die Robotik im Vergleich noch relativ weit am Anfang steht. Deswegen haben wir auf den letzten Messen vor allem auf die Aufmerksamkeit der Kunden abgezielt – mit der einfachen aber eindeutigen Message: Weiss macht Robotik!

ROBOTIK UND PRODUKTION: Heißt das, Sie fangen gerade erst an?

Fraede: Nein, wir sind mitten in der Markteinführung. Unsere Produkte sind freigegeben, die Dokumentation ist fertig, wir bauen den Vertrieb und Applikations-Support auf und haben in den letzten zwölf Monaten auch schon einige Pilotkunden gewonnen. Kurzum: Seit der Motek sind wir lieferfähig und verkaufen unsere Roboter.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Um was für Roboter handelt es sich dabei?

Fraede: Nachdem die Handlings von Weiss üblicherweise sehr schnell laufen, eignen sich klassische Sechsachser hier nicht wirklich. Deswegen haben wir uns im ersten Schritt für Deltas entschieden. Sie müssen als Parallelkinematik ihre eigenen Antriebe nicht bewegen und erzielen so enorme Geschwindigkeiten und sehr kurze Taktzyklen. Das passt wunderbar zu den Rundschalttischen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Im Markt für Deltaroboter gibt es ja schon einige Anbieter. Macht es da Sinn, diese Kompetenz nochmals selbst aufzubauen? Sie hätten sich doch einfach einen Partner suchen können.

Fraede: Für einen Teilbereich haben wir das gemacht, nämlich für die Mechanik. Hier agieren wir mit verlängerter Werkbank und einem exklusiven Partner. Aber alle Kompetenz, die Steuerung, Software und Integration betreffen, ist komplett im Hause Weiss entstanden. Das ist unser eigenes Knowhow.

„Es war schon dem Gründer des Unternehmens eine Herzensangelegenheit, sich in Richtung Robotik zu entwickeln.“ Michael Fraede, Weiss Cube (Bild: Weiss GmbH)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Und worin unterscheiden sich die Modelle von Weiss von den anderen Deltas auf dem Markt?

Fraede: Die heute auf dem Markt erhältlichen Deltaroboter orientieren sich immer noch stark am ersten Modell, das 1991 auf einer Messe in Paris vorgestellt wurde. Und allesamt haben sie auch bis heute zwei Schwachstellen übernommen: Zum einen nutzen sie eine Kugelgelenkklemmung, die über eine Feder die beiden Carbonstäbe hält. Das schränkt die Traglast und Genauigkeit ein. Zum anderen muss die Rotationsachse jede Streckung und Torsion mitfahren und dabei hohen Belastungen standhalten. Es handelt sich quasi um ein teures Verschleißteil. Weiss setzt an beiden Stellen auf intelligente und robuste Lösungen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Und die wären?

Fraede: Die Z-Achse unserer Roboter sieht zwar auf den ersten Blick ähnlich aus, ist aber so konstruiert, dass sie deutlich länger hält. Vermutlich bis zu zehn Jahre im Dreischichtbetrieb bei 0,8s Taktzeit. Zudem haben unsere Roboter feste Gelenke und keine Klemmung. Im Ergebnis erreichen sie größere Reichweiten und mehr Genauigkeit – und das bei höheren Traglasten.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Sie präsentieren Ihre Kinematik also als bessere Lösung für alle Delta-Anwendungen?

Fraede: Nein, nicht unbedingt. Denn nicht alle Anwendungen stellen so hohe Anforderungen. Wir zielen an dieser Stelle sehr stark auf die typischen Kunden von Weiss ab. Sie arbeiten mit kurzen Zyklen, hochgenauen Takten und sehr geringen Toleranzen. Und genau in solchen Fällen sind die Eigenschaften unserer Deltas sehr gefragt.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Bleibt es im Portfolio von Weiss Cube ausschließlich bei Deltas?

Fraede: Nein. Wir konzentrieren uns zwar momentan auf Deltaroboter, es kommen aber definitiv noch weitere Kinematiken hinzu. Das Verbindungsglied dafür findet sich in der hauseigenen Steuerungstechnik. Alle Anlagenteile – also auch die Roboter – basieren auf der gleichen Controller Hardware, der gleichen Software, der gleichen Bedienoberfläche und den gleichen Servicelösungen. Das alles liefert Weiss in einem Paket und natürlich exakt aufeinander abgestimmt. Bei Inbetriebnahme und laufender Fertigung spürt der Anwender also keine Unterschiede – egal mit welchem Element der Anlage er sich gerade beschäftigt.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie sieht es mit der Peripherie aus? Bieten Sie auch die passenden Greifer mit an?

Fraede: Nein, das bleibt die Domäne unserer Kunden. Wir testen aber, welche Greifer oder Vision-Systeme sich für unsere Roboter und die jeweilige Anwendung eignen, damit wir die jeweils passende Empfehlung aussprechen können.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie sieht Ihre Roadmap mittelfristig aus?

Fraede: Wir werden uns auf die Art von Kinematiken und Lösungen konzentrieren, die der Markt bzw. unser Kundenkreis fordert. Wir beobachten also ganz genau, wie sich die unterschiedlichen Branchen entwickeln und welche Prozesszeiten, Traglasten und Genauigkeiten jeweils gefragt sind. Das tun wir natürlich nicht mit dem Fokus der Robotik, sondern aus Perspektive der gesamten Unternehmensgruppe.

 

ROBOTIK UND PRODUKTION: Verändern sich durch das neue Robotikangebot auch die Zielmärkte von Weiss?

Fraede: Prinzipiell verkaufen wir die Roboter auch als Standalone-Gerät. Die Grundphilosophie geht aber dahin, den Roboter vermehrt als integrale Funktion im Weiss Sub-System zu verkaufen. Darüber ergeben sich aus Sicht der Muttergesellschaft durchaus neue Anwendungsgebiete – etwa im Bereich Medizin, Life Science oder Elektronik. Ziel ist es, in solch aufstrebenden Branchen den Namen Weiss genau so zu positionieren, wie er es in Märkten wie dem Automobilbau bereits ist. Weil wir die Anforderungen und Prozesse verstehen. Weil wir mit unseren Lösungen die richtige Funktionskette abbilden können. Weil wir das Knowhow für eine fundierte Beratung haben.

„Wir konzentrieren uns momentan auf Deltas, es kommen aber definitiv noch weitere Kinematiken hinzu.“ Michael Fraede, Weiss Cube (Bild: Weiss GmbH)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Parallel bauen Sie also verstärkt Applikations- und Branchenwissen auf?

Fraede: Ja, dazu gibt es keine Alternative. Andernfalls würde uns die zunehmende Konkurrenz aus Asien früher oder später verdrängen. Davon bin ich überzeugt. Wer mehr verkaufen will, muss heute auch mehr Nutzen liefern – genau hier positionieren wir uns.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie wird das neue Angebot bislang angenommen?

Fraede: Sensationell. Von der ersten Präsentation auf der Motek an haben uns die Interessenten quasi die Bude eingerannt. Unsere Kunden kamen teilweise mit einem Großteil der Entwicklungsabteilung, dem Betriebsmittelbau und der Automatisierung auf dem Messestand. Nicht nur, um sich zu informieren, sondern bereits mit ganz konkreten Fragen und Anwendungen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Das klingt ja durchaus vielversprechend. Weiterhin viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch, Herr Fraede.

Deltaroboter von Weiss

Die Deltaroboter der DR-Serie mit drei bis fünf Achsen sind auf Montage und Handhabung im High-Speed-Bereich ausgelegt – vor allem bei automatisierten Anwendungen in der Pharmaindustrie und der Elektronikbranche. Dafür bieten sie sowohl hohe Geschwindigkeit als auch Präzision. Die Baureihe stellt damit eine passende Ergänzung im Weiss-Produktportfolio dar, bestehend aus Rundtischen, linearen Transportsystemen, linearmotorangetriebenen Achssystemen und Pick&Place-Modulen. Mit der eigenen, vorkonfigurierten Steuerung lassen sich die Deltaroboter direkt in Betrieb nehmen und integrieren – ohne vertiefte Programmierkenntnisse. Weiterhin bieten sie Nenntraglasten von 0,5 bis 50kg, Arbeitsbereiche von 200 bis zu 1.400mm sowie bis 200 ISO-Zyklen pro Minute.

Weiss GmbH
www.weiss-gmbh.de

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