Kolumne von Michael Lind: Wer H sagt, muss auch E sagen

Kolumne von Michael Lind: Wer H sagt, muss auch E sagen

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU gilt seit seiner Amtszeit als Bundesumweltminister in den Jahren 2012/2013 als Mensch gewordene Bremse beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Ausgerechnet er durfte auf dem Energiegipfel 2020 der Wirtschafts- und Finanzzeitung Handelsblatt im Januar Großes ankündigen: Die Bundesregierung arbeitet an einer Wasserstoffstrategie. Ein Schritt in Richtung CO2- und Klima-Neutralität? Ungewiss.

Michael Lind schreibt seit 30 Jahren für und über die nationale und internationale Roboter- und Automatisierungsbranche. Er war knapp zwei Jahrzehnte lang Chefredakteur (später auch Herausgeber) einer Zeitschrift zu diesen Themen. (Bild: Michael Lind)

Zu den Inhalten des dazugehörigen Strategiepapiers wollte oder konnte Altmaier nichts Konkretes sagen. Es muss noch in diversen Ressorts abgestimmt werden, bevor es ins Bundeskabinett gelangt. Und was bei solchen Abstimmungsprozessen aus Strategiepapieren, Gesetzesvorlagen, Novellierungen gestrichen beziehungsweise in sie hineingeschrieben wird, das lassen die finalen Fassungen des Klima-, des Pflege- oder des jüngsten Rentenpäckchens – um beispielhaft einige zu nennen – nur ansatzweise erahnen.

Folglich erschöpften sich des Ministers Erklärungsversuche in einer Art verbaler Lüftlmalerei, was mit Wasserstoff als Energieträger alles möglich sei; der CO2-freie Brennstoffzellen-Antrieb von Schiffen und von Lkw im Fernverkehr etwa, die emissionsfreie Stahl- und Gaserzeugung und dergleichen mehr. Nun hat Wasserstoff als alternative Antriebsenergie beileibe nicht nur Vorteile. Und genau das spaltet das Expertenlager in Pro und Contra. Der Wirkungsgrad von Brennstoffzellenantrieben z.B. ist niedrig, die Wasserstoffherstellung selbst sehr energieintensiv.

Umso bemerkenswerter war es, dass Altmaier auf dem Energiegipfel von grünem Wasserstoff sprach. Mögliche Erwartungen, dass bei der Wasserstoffherstellung sogenannte grüne Energie zum Einsatz kommen würde, enttäuschte der Minister jedoch mit einem klaren „Jein“. Bis das soweit sei – und angesichts des Ausstieges aus Kernkraft und Kohle (also in drei bzw. knapp 20 Jahren) – soll hierzulande Erdgas die Wasserstoffproduktion befeuern. Und natürlich werde man Wasserstoff importieren. Ein Armutszeugnis, finde ich. Wer H sagt, also Wasserstoff, muss auch E sagen: erneuerbare Energien zu dessen Herstellung.

Nun haben Investoren in die Wasserstofftechnologie schon seit langem auf eine derartige Strategie gewartet. Sie brauchen verständlicherweise mehr Planungssicherheit. Da ist z.B. die Reederei Aida Cruises, deren Kreuzfahrtschiff AidaNova im kommenden Jahr mit einem Brennstoffzellen-Antrieb vom Stapel laufen soll. Wie viele könnten folgen? Und es gibt H2 Mobility, ein Joint Venture von Air Liquide, Linde, OMV, Shell und Total, an dem auch Daimler beteiligt ist. Das Konsortium will bis zum Jahr 2023 das Wasserstoff-Tankstellennetz in Deutschland von derzeit etwa 80 auf 400 erweitern. Und dann sind da die deutschen Autobauer. Audi, BMW, Daimler, Porsche, Volkswagen – allesamt wegen Dieselgate keine Chorknaben – sind quasi „par ordre de Mutti“ zur Entwicklung und dem Bau von batteriegetriebenen Elektrofahrzeugen verdonnert worden. Verkaufsprimus Volkswagen hat diesem Verdikt zähneknirschend zugestimmt, verfolgt mittlerweile aber ähnlich wie Daimler, BMW und Audi das Sowohl-als-auch-Prinzip: Wer E sagen muss, also Elektroantrieb, soll auch H sagen dürfen: Brennstoffzellenantrieb dank Wasserstofftechnik.

Planungssicherheit wollen auch Ausrüster und Zulieferer dieser Industriezweige; vor allem die Unternehmen der Automatisierungsbranche. Diese Mittelständler sind es, die unsere Wirtschaft am Laufen halten. Aber die kamen in den Ausführungen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier irgendwie gar nicht vor. Und überhaupt werde ich den Verdacht nicht los, dass die Wasserstofftechnologie hierzulande ein interessantes Forschungsprojekt mit unbestimmter Laufzeit ist, und Deutschland dabei wieder einmal spät dran. (mli)

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