Roboter erobern die Elektronikindustrie

Roboter erobern die Elektronikindustrie

Eine wachsende Zahl an Produktneuheiten sowie deren immer schnellere Entwicklung und Kurzlebigkeit erfordern eine zunehmende Flexibilität in der Elektronikindustrie. Innovationszyklen verkürzen sich und gleichzeitig steigt die Komplexität. Dazu kommen ständig neue Einsatzbereiche und eine enorme Anwendungsvielfalt – die Elektronikindustrie ist als wichtiger Innovations- und Wachstumstreiber auf moderne, roboterbasierte Automationslösungen, die die Rendite steigern können, angewiesen.
Ob Elektrohausgeräte, Unterhaltungselektronik, Lichttechnik oder High-End-Bereich wie die Nanotechnologie und die Chip-Produktion – die Elektronikindustrie hat viele Facetten und deckt ein sehr breites und gleichzeitig hochdynamisches Produktspektrum ab. Die Branche ist global aufgestellt: Geforscht und entwickelt wird derzeit noch überwiegend in Europa und den USA, gefertigt in Asien. Während in den USA, Japan und Deutschland die Elektronikproduktion eher kapitalintensiv ist, ist sie in China noch sehr arbeitsintensiv. Viele namhafte Marken haben beispielsweise im 3C-Markt (Computer, Communication- und Consumer Electronic Devices) einzelne Fertigungsschritte oder die ganze Produktion ausgegliedert. Doch das Prinzip stößt an seine Grenzen: Mit den in fast allen Ländern steigenden Lohnkosten und den wachsenden Qualitätsanforderungen wird eine Automatisierung der Produktion und der effiziente Einsatz von Robotern im Bereich Electronics unumgänglich.

Die Branche hat Nachholbedarf

Laut IFR Report 2014 sind pro 10.000 Arbeiter 147 Roboter in Deutschland und 11 Roboter in China in der General Industry, zu der auch die Elektronikbranche gehört, im Einsatz. Zum Vergleich: in der Automobilindustrie sind es über 1.500 in Japan und über 1.100 in Deutschland. 2013 wurden weltweit 9.373 Industrieroboter an Unternehmen der Elektronikindustrie verkauft. Im gleichen Zeitraum wurden knapp 60.000 Roboter im Bereich Automotive ausgeliefert. Das zeigt den Nachholbedarf in der Elektronikindustrie an modernen, zukunftsfähigen Automatisierungslösungen. Noch schläft die Branche in dieser Hinsicht den Dornröschenschlaf. Doch das wird laut Prognosen kurz- bis mittelfristig nicht so bleiben: Morgan Stanley geht z.B. allein in China von einer Steigerung des Robotereinsatzes von mehr als zehn Prozent jährlich aus.

Geschwindigkeit, Genauigkeit, Flexibilität und Mobilität

Bei Consumer Electronics sowie in der Fertigung von Computern und Communication Devices, aber auch bei Displays, Solarlösungen und im Halbleiterbereich sind Geschwindigkeit, höchste Präzision und enorme Flexibilität für den Einsatz von Robotern unerlässlich. Da die Total Cost of Ownership (TCO) Kennzahlen deutlich aussagekräftiger sind als die Investitionskosten, lohnt sich ein Blick darauf: Wartungsintervalle, Aufwand für Wartung, Energieverbrauch, Peripheriekosten, geringer Schulungsaufwand und einfache Bedienung, Lebensdauer und Verfügbarkeit sind relevante Kriterien. Höhere Präzision und größere Flexibilität machen die Anschaffung zukunftssicher und rentabel ? selbst für Produkte und Produktionsanforderungen von morgen. Roboter müssen zudem mobil einsetzbar sein statt wie bisher zumeist fixiert an einem festen Platz. Auf mobilen Plattformen bewegen sich Roboter z.B. selbstständig, um Waren zu transportieren oder Werkstücke zu bearbeiten. Sie richten sich millimetergenau am Werkstück aus oder drehen Abläufe um, indem sie zum Werkstück gehen statt umgekehrt. In Fabrikhallen bewegen sich die mobilen Roboter aufgrund moderner Navigations-Software schon heute gänzlich ohne Bodenmarkierungen, Induktionsschleifen oder Magnete.

Produktminiaturisierung erfordert Geschwindigkeit und Präzision

Die Miniaturisierung der Komponenten und Endprodukte wird weiter zunehmen – egal, ob bei Mobiltelefonen, Laptops, MP3-Playern oder Navigationsgeräten. Basis dafür sind die revolutionären Fortschritte in der Mikroelektronik, aber auch die schnelle Umsetzung in der Massenproduktion durch leistungsfähige und automatisierte Fertigungslösungen. Daher sind für die Branche besonders Roboter geeignet, die Geschwindigkeit und höchste Präzision miteinander vereinen. Roboter und Mensch werden sich zudem in naher Zukunft den Raum an den Montagebändern der Branche teilen ? ein Trend, der über alle Branchen hinweg zu erkennen ist. Möglich wird die enge Zusammenarbeit von Mensch und Roboter in Zukunft z.B. durch die neue Robotergeneration des Kuka Leichtbauroboters LBR iiwa mit integrierter Gelenksensorik. Roboter dieses Typs werden die Beschäftigten von anstrengenden und gefährlichen Arbeiten entlasten und dort helfen, wo es auf höchste Wiederholgenauigkeit und Präzision ankommt.

Kurze Lebenszyklen erfordern hohes Maß an Flexibilität.

Gab es bisher Produkt-Modellreihen, die jahrelang angeboten wurden, werden heute aktuelle Modelle bereits nach wenigen Monaten modifiziert. Die Lebenszyklen der Produkte werden spürbar kürzer. Was heute Trend ist, ist schon morgen Schnee von gestern. Dieser schnelle Wandel erfordert einen extrem hohen Grad an Flexibilität. Produzenten müssen eine zunehmende Modellvarianz abdecken und schwankende Losgrößen effizient ausgleichen können. Die Automatisierung der Produktion für einen spezifischen Produkttyp wird so zunehmend unprofitabel. Hohe Flexibilität bieten dagegen Automationslösungen, die Nebenzeiten für unterschiedliche Aufgaben, wie Montage, Material-Handling sowie das Be- und Entladen der Maschinen nutzen und die auf Änderungen im Produktions- oder Prozessablauf schnell reagieren können. Zusätzlich müssen die Aufgaben leicht zu programmieren sein und sich individuell auf veränderte Anforderungen konfigurieren lassen. Mittlerweile ist es sogar möglich, aus fertigen Programmbausteinen einfach nur auszuwählen und so sein eigenes Programm im Handumdrehen fertig zu stellen. Damit ist einfache Bedienbarkeit garantiert. Nur so ist die Produktion passend auf kommende Entwicklungen vorbereitet, kann flexibel angepasst werden und Anwender verstehen die Funktionen des Produkts problemlos Das Maximum an Flexibilität wird zudem durch eine adaptive Wiederverwendbarkeit der Komponenten garantiert. Durch die offene Plattform lassen sich viele Robotersysteme einfach rekonfigurieren und an neue Produktionsaufgaben anpassen. Benötigte Technik und Prozesse können einfach und zu jeder Zeit nachgerüstet werden.

Roboter in der Displayproduktion

Displays haben einen riesigen Markt ? besonders Flat Panal Displays (FPD), also Displays für Flachbildschirme oder andere flache elektronische Anzeigetafeln. Aber auch Plasma Display Panel (PDP) für TV- und professionelle Anwendungen, LCDs oder TFT Displays für Computer-, Laptop- sowie für TV-Anwendungen sind gefragt. Unter FPD-Anwendungen fallen auch noch kleinere STN Displays für die Schwarzweißanzeige sowie innovative Mikro-Displays und organische Leuchtflächen aus OLEDs, die u.a. den Handy-Betrieb komfortabler machen. Weil TFT Displays im Vergleich zu Alternativen u.a. über höhere Auflösungsraten bei gleichzeitig geringerem Energieverbrauch verfügen, gehen die Erwartungen hier von einem Wachstum im niedrigen zweistelligen Bereich pro Jahr aus. Die Folge: Die Anlagenausrüstung der Branche wird zügig weiterentwickelt und verbessert, um bei steigender Nachfrage und Spezialisierung die Produktionskosten senken zu können. Roboter werden in der Displayproduktion primär zum Handling von Glas eingesetzt. Der moderne Werkstoff in allen Größen und Stärken ist wichtiger Bestandteil der Elektronik- und Kommunikationsindustrie. Winzige Anzeigetafeln, Notebooks, Tablets, Smartphones oder riesige Screens und hauchdünnes Glas – vieles ist erst mit Robotern überhaupt machbar und rentabel geworden. Dabei wird von Kollege Roboter Vielseitigkeit gefordert: vom Mini-Display bis zum Umgang mit schweren, großformatigen Scheiben mit Dicken ab 0,3mm. Extrem kurze Taktzeiten und ein schonender Umgang mit den Scheiben sind zentral. Roboter werden daher vor allem für das Be- und Entladen der Maschinen eingesetzt, aber auch für Vereinzelung sowie Stapel- und Palettieraufgaben ? unter Normalbedingungen und im Reinraum.

Höchste Präzision für empfindliche Solarmodule

Marktforscher, Banken, Berater und Unternehmen prognostizieren einen wieder ansteigenden Absatz von Solarpanels rund um den Globus. Die Überkapazitäten nehmen ab, der Turnaround der Branche ist absehbar. Der globale Solarmodulmarkt bietet wieder hohes Potenzial für Wachstum, steht aber gleichzeitig unter hohem Wettbewerbsdruck. Moderne Automatisierungstechnik für vielfältige Arbeitsschritte kann den Herstellern Wettbewerbsvorteile eröffnen: von der Ingot-Bearbeitung über die Wafer-Herstellung bis zum fertigen Panel. Roboter unterstützen schon heute die Montage thermischer Sonnenkollektoren und Photovoltaik-Solaranlagen, den vollautomatisierten Prozess zur Verkapselung von Solarmodulen mit Laminatoren oder die Sortierlösung für Ingots. Intelligente Automatisierungslösungen erhöhen die Effizienz, Wetterbeständigkeit und Zuverlässigkeit eines Solarmoduls über Jahrzehnte. Roboter garantieren dabei eine gleichbleibend hohe Qualität und Produktionssicherheit. Denn schon eine einzige, nicht hundertprozentige Querverlötung eines Strings kann dazu führen, dass das ganze Solarmodul unbrauchbar wird. Monotone, ermüdende Arbeitsschritte können an den Roboter abgegeben werden.

Die Reinraumprofis für die Halbleiterindustrie

Mobile Geräte sind weiterhin die treibende Kraft für die europäische Halbleiterindustrie. Für die Herstellung hochsensibler Bauteile und Komponenten sind höchste Ansprüche an Klima, Sauberkeit und Funktionalität im Fertigungsprozess erforderlich, die nur im sauberen Reinraum gegeben sind. Nur er reduziert die Anzahl der in den Raum eingeschleppten bzw. im Raum entstehenden und abgelagerten Partikel auf ein Minimum und regelt zusätzliche Reinheitsparameter, wie Temperatur, Feuchte und Druck nach Bedarf. Neben Luftreinheit, die mit aufwändigen und energieintensiven Klimaanlagen und mehrstufiger Filterung sichergestellt wird, sind angepasste Arbeitskleidung, spezielle Arbeitsmittel und Werkzeuge sowie die entsprechende Arbeitstechnik erforderlich, die spezifizierte Reinheitsklasse einzuhalten. Teilweise wird in Umgebungen produziert, die für den Menschen tödlich sein können, wie z.B. in Stickstoffatmosphäre. Industrieroboter wie der neue Kuka KR Agilus CR (Clean Room) können sich problemlos in diese speziellen Landschaften integrieren – mit innen liegenden, gekapselten Führungen und Leitungen sowie integrierter Antriebstechnik sind sie sehr gut für die Produktion im technischen Reinraum ausgelegt. Außergewöhnliche Beweglichkeit, hohe Präzision und kurze Taktzeiten ergänzt um einige Sicherheitsfeatures sorgen für sicheres Handling. Spezielle Oberflächenbehandlungen sorgen bei diesem Robotermodell für eine sehr hohe Beständigkeit gegenüber Reinigungsmitteln und geben praktisch keine Partikel an den Reinraum ab. Entsprechend konstruierte Gelenke und Dichtungen verhindern zudem, dass Abrieb zum Problem werden kann.

All-in-one-Lösungen für hohe Flexibilität

Hohe Stückzahlen, häufige Produktwechsel und immer kürzer werdende Produktlebenszyklen prägen den 3C-Markt. Der letzte Schritt in der Fertigung Produkten wird nach wie vor manuell gemacht ? das Konfektionieren und Verpacken ist massenhaft Handarbeit. Die Bestückung von Leiterplatten ist dagegen komplett automatisiert. Einzelne Arbeitsschritte wie z.B. Schwerlastaufgaben, Material-Handling, löten, schrauben oder testen werden dabei von Robotern ausgeführt. Das hohe Produktionsvolumen erfordert High Speed und die Kleinteiligkeit der Komponenten erfordert sehr hohe Genauigkeit. Automatisierungslösungen sind daher oft flexible All-in-One-Lösungen: Roboter ermöglichen das Platzieren kleiner Bauteile mit sehr hoher Genauigkeit ebenso wie das schnelle Handhaben größerer Bauteile.

Ausblick: Mensch-Roboter-Kollaboration und Industrie 4.0

Neuerdings wird in der westlichen Welt, vor allem in den USA, darüber gesprochen, die Fertigungen der Solar- und Halbleiter- sowie der 3C-Branchen wieder zurückzuholen. Sollte dieses so genannte Reshoring tatsächlich erfolgen, benötigen die Unternehmen hoch automatisierte Fertigungen, um mit den Emerging Markets wettbewerbsfähig zu sein. Denn zunehmende Miniaturisierung, immer kürzere Lebenszyklen, schnell wechselnde Produktportfolios und eine enorme Steigerung der Produktkomplexität erfordern moderne, roboterbasierte Automatisierungssysteme. Wie Mobilität den Flexibilitätsgrad ? gerade in Hinblick auf Industrie 4.0 ? zusätzlich gesteigert werden können, zeigt Kuka mit der Konzeptstudie moiros. Ein Industrieroboter auf einer mobilen Plattform mit eigens entwickelter Navigationssoftware garantiert die kabellose und autonome Bewegungsfreiheit und damit völlig neue Einsatzmöglichkeiten der Automation, die den Anforderungen von Industrie 4.0 bereits heute entsprechen. In Zukunft werden neben der Vollautomatisierung auch teilautomatisierte Produktionsprozesse eine zentrale Rolle spielen, bei der Mensch und Roboter immer stärker in der so genannten Mensch/Roboter-Kollaboration zusammenarbeiten. Möglich wird die enge Zusammenarbeit von Mensch und Roboter in Zukunft durch die neue Robotergeneration des LBR iiwa, der mit 7 oder 14kg Traglast erhältlich ist. Er besitzt in allen sieben Achsgelenken integrierte, feinfühlige Kraftmomentensensoren zur Kontakterkennung und programmierbaren Nachgiebigkeit. Damit ist der Roboter in der Lage, empfindliche Teile sicher zu handhaben, mit exaktem Kraftaufwand zu montieren und Ausschuss oder kostspielige Kollisionen zu vermeiden. Neben der integrierten Sensorik, die bei Kontakt mit Hindernissen sofort Kraft und Geschwindigkeit reduziert, macht auch das schlanke Aluminiumgehäuse ohne Scher- und Klemmstellen den LBR iiwa zu einem sicheren Kollegen. Sonst übliche Zusatzkosten für Sicherheitstechnik, Verschalten und Schutzzäune sowie damit verbundener Platzbedarf entfallen.

KUKA Roboter GmbH

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