Forschungsprojekt QBIIK für die autonome Kommissionierung
Tragende Rolle
Wie lassen sich die Vorteile autonomer Lösungen in der Industrie mit den menschlichen Fähigkeiten am besten kombinieren? Was sollte ein lernfähiges autonomes Kommissioniersystem alles beherrschen und welche Sicherheitsvorrichtungen sind nötig, um Fahrzeuge autark im öffentlichen Raum zu betreiben? Antworten auf diese Fragen liefert das Forschungsprojekt QBIIK, das im Juni dieses Jahres nach dreieinhalb Jahren Entwicklungsarbeit endet.
QBIIK ist ein Projekt, das im Rahmen des Technologieprogramms „Digitale Technologien für die Wirtschaft – PaiCE“ vom BMWi gefördert wird. Anhand prototypischer Lösungen in konkreten Anwendungsfeldern soll aufgezeigt werden, welche Chancen sich durch die Anwendung moderner digitaler Technologien und deren Integration ergeben. „Die verschiedenen Ziele umfassen eine Optimierung des Ressourceneinsatzes und ein bestmögliches ökologisches Verhalten in der Produktion. Durch das QBIIK-FTS/Roboter-System können Wertschöpfungsprozesse effizienter und ressourcenschonender durchgeführt werden“, erläutert Gerd Hembach vom Projektträger DLR.
Lernendes Robotersystem
Konkret wird in dem Entwicklungsprojekt ein lernfähiges autonomes Kommissioniersystem entwickelt, das die Vorteile autonomer Lösungen mit den Fähigkeiten des Menschen kombinieren soll. Es handelt sich dabei um ein dezentral gesteuertes Fahrzeug mit integriertem Industrieroboter, der Kleinladungsträger mit einem Gewicht bis 15kg bewegen kann. Das Fahrzeug orientiert sich selbst im Raum, navigiert autonom zum Ziel und greift die georderte Ware. Über eine Mensch/Maschine-Schnittstelle kann im Bedarfsfall, etwa bei misslungenen Greifprozessen, ferngesteuert menschliche Unterstützung über eine Virtual-Reality-Benutzerschnittstelle angefordert werden. In diesem Fall übernimmt der Mensch die Kontrolle über den Roboter und führt Erkennungs- und Greifprozesse durch. So lernt das Robotersystem vom Menschen, mit neuen Arbeitsprozessen umzugehen und kann neue Arbeitsschritte zukünftig selbständig durchführen.
Kommissionierfahrzeug als Basis
Als Fahrzeugplattform im Rahmen des QBIIK-Projekts kommt der das Modell iGo neo von Still zum Einsatz. Diesem Kommissionierfahrzeug wurden bereits während der Entwicklung intelligente Robotertechnik und kognitive Fähigkeiten mitgegeben. Das Resultat ist ein autonomes System, das auf die Anforderungen von Kommissionieraufgaben zugeschnitten ist. „Diese Ausstattung hat sich im aktuellen Projekt ausgezahlt. Wir haben die bereits vorhandenen Software-Frameworks zu mehr als 90 Prozent übernommen und mussten nur geringfügige Anpassungen vornehmen“, berichtet Bengt Abel, der bei Still bzw. der Konzernmutter Kion für das QBIIK-Projekt verantwortlich ist. „Da das Fahrzeug über so viel Autonomie verfügt, haben wir umso mehr Zeit für andere Aufgaben gehabt.“
Virtueller Schutzzaun
Andere Aufgaben gab es im Rahmen des Entwicklungskonzepts reichlich. So brachte z.B. eine Risikoanalyse 116 Gefahrensituationen hervor, die in Zusammenhang mit dem Demonstrator auftreten können. „Das größte Problem war, dass es für eine derartige Anwendung – bei der ein Roboter auf einem autonom fahrenden Fahrzeug befestigt ist – keine Norm gibt, auf die wir zurückgreifen konnten“, so Abel weiter. „Und einfach einen Käfig um das Fahrzeug herum bauen, ging in diesem Fall nicht.“ Gelöst wurde die Herausforderung durch einen Schutzfeldscanner, der um den iGo neo herum ein Sicherheitsfeld aufspannt. Gerät dort ein Mensch oder ein Gegenstand hinein, werden Roboterarm und Fahrzeug sofort stillgelegt.
Teach-In-Prozesse abgeschlossen
Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt war die Orientierung des autonomen Fahrzeugs in der Fläche. Die Entwickler griffen dabei auf die Monte-Carlo-Lokalisation (MCL) zurück, ein Sample-basiertes Verfahren zur Zustandsschätzung der Position und Orientierung eines mobilen Systems. Erste Versuche erfolgten im Lager des Projektpartners Audi. Mit Hilfe von Teach-In-Fahrten wurden Wegpunkte aufgezeichnet, an denen sich das autonome System orientiert. Zwischen diesen Wegpunkten kann es sich anschließend frei bewegen. Als Orientierungspunkte dienten fest installierte Gegenstände wie Wände oder Säulen. „Während der ersten Testläufe müssen die Teach-In-Fahrten noch von uns durchgeführt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt ist aber geplant, dass ein möglicher Nutzer des Systems diese Fahrten selbst durchführen kann“, erläutert Abel. Die Erkennung der Kisten in den Regalen erfolgt mehrstufig über ein neuronales Netz. In diesem Fall kommt neben einer bildgebenden Sensorik auch eine Kombination aus 3D-Kamera und taktilen Näherungssensoren zum Einsatz.
Mehr Speed für die Praxis
Insgesamt ist Entwicklungsingenieur Bengt Abel mit dem Projektverlauf sehr zufrieden. „Lediglich an der Geschwindigkeit von Fahrzeug und Roboter müssen wir noch arbeiten. Die reichen für einen Praxiseinsatz momentan nicht aus“, resümiert er. Das sei aber zu einem großen Teil den noch recht hohen Sicherheitsanforderungen geschuldet. Auch Gerd Hembach ist mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden: „Das Konsortium hat innerhalb von dreieinhalb Jahren belastbare Ergebnisse erarbeitet und in einem Anwendungssystem umgesetzt. Zum Projektende im Juni erwarte ich ein prototypisches Gesamtsystem.“