Interview mit Georg Heppner (FZI) zum Gewinn der European Robotics Challenge

Interview mit Georg Heppner (FZI) zum Gewinn der European Robotics Challenge

„Flexibel auf Änderungen reagieren“

Im Rahmen der diesjährigen Automatica wurde das Team FLA²IR, bestehend aus den Projektpartnern FZI Forschungszentrum Informatik, Opel und MRK-Systeme, als Gewinner des europäischen Robotikwettbewerbs Euroc ausgezeichnet. Das FZI entwickelte im Projektverlauf eine automatisierte Montage von flexiblen Gummitürdichtungen. ROBOTIK UND PRODUKTION hat mit Projektleiter Georg Heppner auf der Messe gesprochen.

V.l.n.r: Prof. Bruno Siciliano (EuRoC-Koordinator), Georg Heppner (FZI), Dr. Fabian Fürst (Opel) und Dr. Peter Heiligensetzer (MRK-Systeme) während der Preisverleihung der European Robotics Challenge. (Bild: FZI Forschungszentrum Informatik)

V.l.n.r: Prof. Bruno Siciliano (EuRoC-Koordinator), Georg Heppner (FZI), Dr. Fabian Fürst (Opel) und Dr. Peter Heiligensetzer (MRK-Systeme) während der Preisverleihung der European Robotics Challenge. (Bild: FZI Forschungszentrum Informatik)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Heppner, wie ist der Euroc-Wettbewerb abgelaufen und wie sind Sie mit Ihren Projektpartnern in Kontakt gekommen?

Georg Heppner: Die European Robotics Challenge an sich lief über die letzten vier Jahre in verschiedenen Phasen. Anfangs waren es 103 teilnehmende Teams aus ganz Europa, die in der Bewerbungsphase eine Simulationsaufgabe lösen mussten. Hier hat sich das Teilnehmerfeld schon deutlich gelichtet. Nach der Simulation wurde allen Teilnehmer die gleiche Aufgabe gestellt, das heißt die Umgebung wurde von dem Challenge Host – also dem EuRoC-Konsortium – gestellt. Erst danach sind die Endanwender hinzugestoßen und haben ihre Use Cases vorgestellt. In dieser Phase ist das Team FLA²IR aus Opel, MRK-Systeme und dem FZI entstanden.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Und wie lief der erste Kontakt mit Ihren Teampartnern ab?

Heppner: Hierzu wurde von EuRoC ein Matchmaking-Event veranstaltet, also eine Art Messe mit Präsentationen und individuellen Gesprächen zwischen Endanwendern und Forschungsteams. Im Laufe dessen wurden dann die Teams verhandelt. Bei Opel war die Nachfrage naturgemäß hoch, deswegen war die Freude darüber, dass man sich für uns entschied, natürlich groß. Bemerkenswert ist hierbei, dass Opel nach eigener Aussage einen Use Case vorbereitet hatte, der bislang nicht automatisierbar war. In den nachfolgenden Phasen ist dann sukzessive die Anwendung entstanden, die wir nun präsentieren können: Das Montieren einer flexiblen Dichtung an einer Autotür. Es wurde sowohl nach technischen als auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet. Die finale Use-Case-Phase fand beim Endanwender statt, wir sind also direkt zu Opel ins Werk gegangen und haben das System vor Ort implementiert.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Können Sie die Applikation noch einmal genauer beschreiben?

Heppner: Bei Opel werden die Türdichtungen montiert, indem Clips in vorgefertigte Löcher in den Türen eingedrückt werden. Das bedeutet der Monteur musste bisher den ersten Clip einsetzen, dann an der Dichtung entlangfahren und nacheinander alle Clips manuell in die einzelnen Löcher eindrücken. Dieser Anwendungsfall wurde von zwei Mitarbeitern am Band nach Gefühl erledigt. Letztlich sind wir auf die Lösung gekommen, es genauso wie der Mensch zu machen, also an der Dichtung entlangzufahren und den Clip zu erfühlen.

 (Bild: FZI Forschungszentrum Informatik)

(Bild: FZI Forschungszentrum Informatik)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Und wie haben Sie das realisiert?

Heppner: Unser System besteht aus einem Roboterarm, ausgestattet mit einem Kraft-Momenten-Sensor, einem handelsüblichen elektronischen Greifer und speziell gefertigten Greiferklauen. Wir haben also versucht, möglichst wenig Speziallösungen zu verwenden, sondern Standardkomponenten durch eine intelligente Softwarelösungen zu verbessern. Dadurch, dass wir konsequent ROS-Industrial als Basis verwendet haben, konnten wir eine modulare Software für verschiedene Roboterhersteller entwickeln. So können wir durch den Kraft/Momenten-Sensor jeden Roboter feinfühlig machen, gleichzeitig erlaubt uns das System den Roboter als MRK-Anwendung laufen zu lassen. Der wichtigste Punkt war jedoch die intuitive Programmierung durch das CAD-2-Path-Tool: Eine webbasierte Applikation, in die das CAD-Modell eingeladen wird und man mit einem Stift auf dem Modell gewissermaßen malen und so den Pfad intuitiv programmieren kann. Speziell für die Dichtungsapplikation war wichtig, dass der Greifer sehr eng an der Tür entlangfährt, damit er die Dichtung nicht fallen lässt.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Also ging es mehr um Genauigkeit als um Schnelligkeit?

Heppner: Geschwindigkeit ist in der Industrie natürlich immer ein wichtiger Faktor. Tatsächlich konnten wir in unseren Taktzeiten nicht mit den Werkern mithalten, dennoch hat Opel erkannt, was machbar ist und das man diese Technik prinzipiell in Bereichen mit längeren Taktzeiten einsetzen kann. Gerade das intuitive Programmieren mit CAD-2-Path ist nach der Präsentation im Werk auf Begeisterung gestoßen, insbesondere bei Klebe- oder Sprühvorgängen wurden signifikante Einsparmöglichkeiten gesehen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Zum Thema Robotersteuerung: Für wie realistisch halten Sie das Ziel, das ja viele Anbieter verfolgen, dass ein Nutzer ohne technischen Hintergrund einen Roboter programmieren kann?

Heppner: Ich halte es für nicht ganz realistisch, dass ein komplett untrainierter Laie per Plug&Play sofort einen Roboter in Betrieb nimmt. Aber mit einer gewissen Grundkenntnis oder kurzem Training mit sehr intuitiven Tools kann man jemanden in die Lage versetzen, in sehr kurzer Zeit einen Roboter für seinen Anwendungszweck zu verwenden. Wenn man ein einfaches und universelles System einsetzt, passiert das immer auf Kosten der Effektivität. Das heißt, wenn ich die letzten fünf Prozent aus meiner Anwendung rausholen will, dann werde ich das vermutlich nicht mit einfach programmierbaren Maßnahmen erreichen. Wenn ich eine hochspezialisierte Anlage haben möchte, bei der es auf die letzte Millisekunde im Takt ankommt, dann ist der Spezialist unumgänglich. Viele Anwender benötigen aber einen flexiblen Roboter, der an verschiedene Situationen angepasst werden kann. Gerade bei KMUs, bei denen es keine Fertigungslinie gibt, sondern die eine wechselnde Produktion haben. Das ist auch das, was wir bei Euroc zeigen wollten: Wandelbarkeit und die Fähigkeit, flexibel auf Änderungen zu reagieren.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Jetzt, nach dem Gewinn der Challenge, in welche Richtung wird Ihr nächstes Projekt gehen?

Heppner: Wir würden im Bereich Robotersteuerung und gerade im Hinblick auf MRK gerne in die Richtung gehen, dass Roboter in der Lage sind, zu antizipieren was der Mensch möchte. Zusätzlich wollen wir ROS-Industrial zusammen mit der Community weiter entwickeln und verbreiten. Zentral ist hier das Thema Wiederverwendbarkeit und dass man durch den Einsatz von intuitiver Robotersteuerung nicht nur teure Speziallösungen ersetzen, sondern sogar Anwendungen realisieren kann, die als nicht automatisierbar gelten. (bfi)

FZI Forschungszentrum Informatik
www.fzi.de

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