Kooperierende Roboter

Robotergestützte Automation

Kooperierende Roboter in komplexer Fertigung

Industrieroboter sind zentrale Bestandteile in automatisierten Anlagensystemen und Hebel für die Wirtschaftlichkeit, Qualität und Nachhaltigkeit. Sie handhaben, verbinden und formen um, sortieren und verpacken, bedienen Maschinen, reinigen und desinfizieren. Nun machen Entwickler Industrieroboter untereinander teamfähig. Diese Kooperation eröffnet neue Perspektiven. Der Roboterhersteller spricht von einer weltweit einmaligen roboter- und lasergestützten Anlage, die bei der Robu Glasfilter-Geräte GmbH aus Hattert im Westerwald hochwertige Glasfiltergeräte und Sinterglasfilter produziert.
Erfolgreiche Roboteranwendungen sind das Ergebnis intelligenten Engineerings. Denn das Können eines Industrieroboters begrenzt sich darauf, einen fiktiven Arbeitspunkt (TCP = Tool Center Point) schnell, präzise und wiederholgenau innerhalb eines definierten Arbeitsraums zu bewegen. Implementiert werden müssen die robotergeführten Greifer oder Werkzeuge, die anwendungsgerechte Sensorik sowie ausgereifte Software und Steuerungen. Vor allem für Prozesskonzept und Anlagendesign sowie für Programmierung beziehungsweise Konfiguration sind Fachleute gefragt. Im Beispiel des Unternehmens Robu Glasfilter-Geräte ist dies gelungen: Nach Angaben ihrer Betreiber arbeitet die vollautomatische, multifunktionalen Fertigungs- und Bearbeitungsanlage seit ihrer Inbetriebnahme in Hattert zuverlässig und wirtschaftlich.

Engpässe vorbeugen

Die Firma Robu hat sich auf das Herstellen von Glasfiltergeräten und Sinterglasfiltern spezialisiert. Diese hochwertigen Produkte sind unentbehrlich in den Laboren der Chemie, Pharmazie, Lebensmittelproduktion und Lebensmittelüberwachung, der Sensortechnik sowie der Chromatographie und Nuklearmedizin. Kleinere bis kleinste Losgrößen sind typisch für diese bisher manuell-mechanisch erzeugten Produkte. Stephan Curland, Geschäftsführer von Robu, nennt einen Anlass, hier in robotergestützte Automation zu investieren: Um die gläsernen Präzisionsteile herzustellen, ist ein hohes Maß an werkstoff- und verfahrenstechnischem und handwerklichem Knowhow erforderlich. Diese benötigte Mehrfach-Qualifikation bildet jedoch einen Engpass, denn solche Fachkräfte sind rar. Um personellen Engpässen vorzubeugen, wurde die Firma Trebbin aus Eichstätt mit der Konzeption und Ausführung der Anlage beauftragt. Ein Schwerpunkt des Sondermaschinenbauers ist die robotergestützte Automation mit Fokus auf flexiblen Montagezellen. Trebbin hat für die Robotik den in Friedberg ansässigen Unternehmensbereich Robotics von ABB Automation gewählt. Den Teil der Lasertechnik übernahm die Firma Feha Lasertec aus Bitterfeld Wolfen.

Zwei Sechs-Achs-Roboter arbeiten zusammen

Den Kern der Anlage bilden zwei Sechs-Achsroboter von ABB vom Typ IRB 140 sowie ein Feha SM1000E CO2-Laser. Pro Arbeitszyklus nehmen die sich gegenüberstehenden kooperierende Roboter je eine Sinterglas-Filterscheibe beziehungsweise ein Glasrohr aus den beiden Vorratstrays der Roboterzelle. Anschließend richten sie ihre Greifer exakt horizontal aufeinander aus und führen die Filterscheibe in das Glasrohr bis auf die vorgesehene Tiefe ein. Ist diese Phase abgeschlossen, rotieren die Greifer. Je nach Filtertyp, Rohrgröße und Position der Filterscheibe kann dabei ein Roboter allein beide Glaskomponenten, also Rohr und Filterscheibe, mit seinem kontinuierlich drehendem Kombigreifer in den Fokus des Lasers halten, oder beide Roboter arbeiten dazu im Synchronmodus im MultiMove-Betrieb. Der Laser schmilzt zunächst die Filterscheibe präzise in das Rohr ein und erhitzt es dann lokal zur Warmbearbeitung. Letztere erfolgt mit einer im rechten Winkel zur Drehachse andrückenden Formrolle. Dabei müssen die Roboter den beim Formen auftretenden Kräften standhalten und gleichzeitig feinfühlig wie ein Glasbläser sein. Nach dem Einschmelzen und Formen bringen die Roboter das Glasrohr wechselseitig in eine leicht geneigte Drehposition, sodass der Laser die beiden scharfkantigen Rohrenden ohne Wulstbildung glätten kann. Anschließend führt einer der Roboter den fertig gefügten Glasfilter in die zum Lasergravieren erforderliche Position, bevor er ihn in den Tray stellt. Neben den Robotern spielt der CO2-Laser eine wichtige Rolle. Der Feha SM1000E arbeitet in zwei verschiedenen Modi. Bei hoher Energieleistung schmilzt er die Filterscheibe in das Borosilikat-Glasrohr ein oder erwärmt das Glas für weiteres Warmbearbeiten. Beim Gravieren arbeitet er mit geringerem Energieeintrag nach einem von Feha entwickeltem Mikroabtragsverfahren. Es erlaubt das Beschriften mit frei gestaltbaren Kennzeichnungen über Projektionen von Teilbildern. Dazu dreht der Roboter das Glas schrittweise in die jeweils erforderliche Position. Über die Steuerungssoftware kann der Bediener dazu unterschiedliche Strahlbewegungen des Lasers für wechselnde Gravurbilder ausführen. So lassen sich Chargenbezeichnungen für eine Identifikation und Rückverfolgbarkeit der Produkte einzeichnen. Wie Geschäftsführer Curland schildert, lassen sich auf der Roboter-Laser-Anlage Gläser mit verschiedenen Geometrien, Wanddicken, Rohraußen- und -innendurchmessern, Filterfeinheiten und Längen herstellen. Für ihn machen die Programmierbarkeit und die vielen werkstückspezifischen Greifer und Formrollen die Flexibilität der Anlage aus. Die thermischen und roboterspezifischen Prozesse sind dabei für jeden Filtertyp individuell einstellbar. Außerdem kann der Hersteller die Prozessstufen parametrieren, den Gesamtprozess bei Bedarf modular zusammenstellen und auf neue Produkte abstimmen.

Simulation in der virtuellen Roboterzelle

Gerhard Trebbin, Geschäftsführer bei Trebbin, beschreibt die wesentlichen Herausforderungen bei ihrem Anteil am Projekt: Es galt ein rotierendes, zwölfachsiges, robotergestütztes Verfahren zur Glasbearbeitung zu entwickeln. Nachdem die Konzeption stand, ging es zunächst darum, diese auf Machbarkeit, mögliche Kollisionsrisiken sowie Erreichbarkeit von Positionen zu überprüfen. Weitere Ziele waren das Optimieren der Bahnen für Objektbewegungen und der Arbeitsbereiche der beiden Roboter, um möglichst viele Freiheitsgrade zu erzielen. Dazu nutzte Trebbin die Offline-Programmier- und Simulationssoftware RobotStudio von ABB. Ihr Herzstück ist der integrierte Virtual Controller (VC), eine exakte Kopie der realen Robotersteuerung IRC5 inklusive aller Funktionen. Zusammen mit aus 3DCAD-Bibliotheken eingespielten Modellen von Robotern sowie anderen Maschinen und Geräten ließen sich realitätsnahe virtuelle Roboterzellen erstellen. Entscheidend bei dieser Anwendung sind die synchronen Bewegungen der beiden Roboter untereinander sowie mit den externen Achsen des Lasers. Glasrohr, Sinterglasfilter und sämtliche Roboterachsen müssen während der Bearbeitung exakt auf einer Symmetrieachse liegen und die endlos rotierenden Greifer beider Roboter mit absolut gleicher Geschwindigkeit drehen. Schon geringe Unterschiede in der Umdrehungsgeschwindigkeit würden das Glasrohr zerstören. Fehler, die sich aus ungenau im Glasrohr platzierten Glasfilterscheiben ergeben, würden sich im späteren Einsatz zeigen und zu Reklamationen führen. Für den Schmelzprozess sind nicht nur hochpräzise Roboter erforderlich, sondern auch der richtige Abstand des Glasrohrs zum Brennpunkt. Unbeherrschbare thermische Spannungen müssen vermieden werden. Sollte die Leistung des Lasers im Fokus dennoch zu hoch oder zu niedrig sein, können die Roboter eigenständig ihren Abstand zum Brennpunkt verändern.

Synchronisieren der Bewegungen per Software

Die Grundlage für die hier beschriebenen Bewegungen liefert Multimove, eine Funktion der Software IRC5 und des Virtual Controllers von dem Roboterhersteller. Die Funktion kann bis zu vier Roboter und 36 externe Achsen über eine einzige Steuerung ansprechen und deren Bewegungen synchronisieren. Dazu bewegt eine Handhabungseinrichtung wie ein Roboter oder Werkstückpositionierer das Werkstück, während die übrigen Geräte oder Roboter ihre Bewegungen relativ zu dem bewegten Bauteil anpassen und dieses bearbeiten. Programmiertechnisch definiert man dazu die Objektkoordinatensysteme der einzelnen Geräte relativ zum geführten Bauteil beziehungsweise der das Werkstück führenden Maschine. So werden Anwendungen möglich, die vorher als nicht machbar oder unwirtschaftlich galten. Ganz nebenbei kann Multimove den Werkzeugeinsatz sowie den Befestigungsaufwand reduzieren und wesentlich kompaktere Roboterzellen ermöglichen. Zudem lassen sich die im Robotstudio entwickelten Steuerprogramme später 1:1 in die reale Robotersteuerung übertragen. Das führt im betrieblichen Alltag zu oft deutlich kürzeren Anlaufzeiten, schnelleren Produktwechseln und einer erhöhten Produktivität. Trebbin hat für beide Roboter spezielle Dreibackengreifer entwickelt, von denen einer als Kombigreifer über ein zusätzliches, zentrisch eingebautes Saugrohr zur Aufnahme und Positionierung der gesinterten Glasfilterscheiben im Glasrohr verfügt.

Wirtschaftliche Anwendungen

Die automatisierte Fertigung der Glasfilterelemente zeigt, dass sich robotergestützte Automation auf der Basis kooperierender Roboter nicht nur in der Großserienproduktion rentiert. Auch bei wesentlich kleineren Losgrößen kann eine robotergestützte Produktion wirtschaftlich sein. Damit geht eine reproduzierbare, gleichbleibend hohe Produktqualität einher. Gerade eine Software wie Robotstudio zur Visualisierung, Simulation und Programmierung hilft dabei, die komplexen Systeme mit überschaubarem Programmieraufwand und Inbetriebnahmedauer zu betreiben. Kooperierende Roboter haben das Potenziel, nahezu beliebige Prozesse in Fertigung und Montage abzubilden. Sie eignen sich dafür, zahlreiche klassische Lösungen im Maschinen- und Sondermaschinenbau zu ersetzen oder zu ergänzen.

ABB Automation GmbH

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