Dieter Pletscher, Vertiebschef bei Kassow Robots, im Interview

Dieter Pletscher, Vertiebschef bei Kassow Robots, im Interview

Eine kraftvolle Cobot-Familie

‚Strong – Fast – Simple‘: Unter diesem Motto stellte sich der von Kristian Kassow gegründete dänische Roboterhersteller Kassow Robots mit seinen ersten Siebenachs-Cobots der Öffentlichkeit vor – vor genau zwei Jahren in München auf der Automatica. Wie hat sich das Unternehmen seither entwickelt? Was sind die Pläne für die Zukunft? ROBOTIK UND PRODUKTION sprach mit Vertriebschef Dieter Pletscher.

Der KR1410 besitzt eine Reichweite von 1,40m bei bis zu 10kg Traglast. (Bild: Kassow Robots ApS)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Pletscher, wie würden Sie in wenigen Worten beschreiben, was Kassow Robots seit der letzten Automatica im Juni 2018 erreicht hat?

Dieter Pletscher: Wenn man es ganz kurz zusammenfassen sollte, würde ich sagen: Mission accomplished! Wir hatten uns ja vor allem drei Hauptziele vorgenommen: uns als Unternehmen vorzustellen und bekannt zu machen, ein Vertriebsnetz vor allem in Europa aufzubauen und – das war natürlich die Priorität 1 – die Produktion unserer Siebenachs-Cobots zu starten, was dann 2019 begann! Was uns dabei auch ganz wichtig war: Unser Portfolio von zwei Produkten bis März 2020 auf eine vierköpfige Familie auszubauen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie stark sind Sie inzwischen in Europa vertreten und was sind Ihre weiteren Vertriebspläne?

Pletscher: Wir haben uns ja von Anfang an dafür entschieden, die Produkte nicht direkt, sondern ausschließlich über Systemintegratoren zu vertreiben. Im Juni 2018 hatten wir den ersten Vertriebspartner vorgestellt. Inzwischen haben wir bereits über 20 Partner. Aktuell ist uns wichtig, dieses Netzwerk zu stabilisieren und punktuell weiter zu verstärken. Diese Roadmap arbeiten wir unabhängig von Corona konsequent ab. So konnten wir z.B. im April unseren neuen Partner in der Türkei vorstellen.

Die Produktfamilie von Kassow Robots zählt mittlerweile vier Mitglieder. (Bild: Kassow Robots ApS)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Apropos Corona: Wie trifft Sie als Unternehmen der fast weltweite Shutdown?

Pletscher: Nicht weniger als andere Branchenteilnehmer. Denn Industrieunternehmen produzieren seit Wochen gar nicht oder wenig, da verzögern sich auch Automatisierungsprojekte mit Cobots. Zudem ersetzt Remote nie 1:1 den persönlichen Kontakt zu potentiellen Kunden. Unsere auf vier Siebenachs-Cobots verdoppelte Produktfamilie wollten wir auf der Juni-Automatica live vorstellen, nun hoffen wir auf die Dezembermesse. Aber letztendlich bieten Cobots eine Chance gerade auch für den nun teils stark gebeutelten Mittelstand. Cobots rechnen sich schnell. Und da unsere Cobots durch die siebte Achse und das Gesamtpaket besonders multipel einsetzbar sind, hat das auch einen besonders schnellen ROI zur Folge.

Der schnelle ROI ist auch durch hohe Flexibilität im Einsatz ein starkes Verkaufsargument. (Bild: Kassow Robots ApS)

„Der schnelle ROI ist auch durch hohe Flexibilität im Einsatz ein starkes Verkaufsargument.“ Dieter Pletscher (links) (Bild: Kassow Robots ApS)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Es gibt im Markt nur wenige Hersteller von Siebenachsern. Was zeichnet dabei Ihr Unternehmen und Ihre Produkte besonders aus?

Pletscher: Das ist richtig, die meisten Cobot-Hersteller bieten Sechsachser. Sie können den Ellbogen nur von oben nach unten bewegen, sind also im Einsatz limitiert. Die siebte Achse, die unsere Cobots haben, sogar der Reichweitenkönig KR1805 mit 1,80m Reichweite, sitzt beim Ellenbogengelenk. Sie ermöglicht zusätzlich seitliche Bewegungen! Damit kann der Cobot um die Ecke greifen oder Bewegungen auch auf engstem Raum ausführen. Das Besondere ist das Paket: Sieben Achsen, eine große Reichweite und eine respektable Traglast – und das trotz Aluminiumleichtbau. Antrieb unseres Gründers Kristian Kassow war es, dem industriellen Mittelstand eine intelligente, leicht umzusetzende und extrem flexible Cobot-Lösung anzubieten mit Top-ROI.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welche Branchen haben Sie mit Ihren Cobots im Blick?

Pletscher: Die Einsatzgebiete sind enorm: Denn ein- und derselbe Cobot kann heute für die eine Aufgabe, z.B. das Zuschneiden oder Wiegen von Produkten, und morgen für etwas anderes, z.B. das Verpacken, verwendet werden – und im Anschluss zum Etikettieren. Die 1,80m Reichweite unseres KR1805 ermöglicht auch, um ein Beispiel zu nennen, das Greifen rund um eine Europalette. Beim Schweißen oder Auftragen von Materialen, bieten alle unsere Cobots mehr als andere Modelle: Dank der siebten Achse können sie eine vorgegebene Kurve in konstanter Geschwindigkeit ‘fahren’, ohne Pause!

Der KR1805 verfügt über eine Reichweite von 1,8m und eine Traglast bis zu 5kg. (Bild: Kassow Robots ApS)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie gewinnen Sie in den Zeiten von Corona Kunden, wo auf jeden Euro geschaut und Investitionen vertagt werden?

Pletscher: Die Kosteneffizienz unserer Cobots bzw. der schnelle ROI ist natürlich ein starkes Argument. Ein anderes darf dabei aber nicht in Vergessenheit geraten: Gerade auch kleine Mittelständler mussten bisher manche Geschäftsfelder aufgeben, weil der Wettbewerb sich extrem verschärfte, die Produktion in Deutschland zu teuer wurde und ein Outsourcen z.B. in den Rechtsraum Asien für sie zu riskant war. Viele wollten ihre Werkbank auch eigentlich lieber vor Ort in Europa haben – ein Aspekt, der aktuell ja wieder sehr diskutiert wird. Cobots bieten da ganz neue Perspektiven: Denn für einfache, stupide Aufgaben, die dennoch ganz exakt gemacht werden müssen, gibt es eine attraktive kosteneffiziente Alternative: Solche Aufgaben können mit Cobots weiter vor Ort gemacht werden, eben durch Mensch/Roboter-Kollaborationen. Das stärkt letztendlich den eigenen Standort.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Am Schluss interessiert uns noch: Was sind die mittel- bis langfristigen Ziele von Kassow Robots?

Pletscher: Wir möchten mit unserer Cobot-Familie in einigen Jahren ein bedeutender Spieler auf dem Markt der Cobots sein. Ziel ist es, dass wir uns mit kraftvollen und einfach zu programmierenden kollaborierenden Robotern von einem Großteil der anderen Cobot-Anbieter unterscheiden. Auch sind uns intelligente Features wichtig: Im Herbst 2019 haben wir z.B. einen Data-Ethernet-Anschluss vorgestellt, den nur wenige andere Hersteller standardmäßig an jedem Roboter verbauen. Das erlaubt es unseren Kunden, z.B. Kameralösungen oder Modbus TCP direkt am End-of Arm-Tool mit dem Roboter zu verbinden.

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