Die Roboter kommen

Schunk Expert Days on Service Robotics

Die Roboter kommen

Die 11. Ausgabe der Expert Days on Service Robotics fand Ende Februar statt – diesmal in der dänischen Robotikhauptsstadt Odense, wo Universal Robots seine Wurzeln hat und auch weitere bekannte Namen wie MIR oder OnRobot. Das Themenspektrum machte von der Healthcare bis zur Logistik deutlich: Die Servicerobotik wird unsere Gesellschaft schon in absehbarer Zeit auf vielfältige Weise prägen.

Wolfgang Ptacek vom Austrian Center for Medical Innovation and Technology stellte Servicerobotik-Projekte aus der Medizintechnik vor. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Wolfgang Ptacek vom Austrian Center for Medical Innovation and Technology stellte Servicerobotik-Projekte aus der Medizintechnik vor. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

„Unsere Gesellschaft öffnet sich zunehmend für intelligente Systeme und Roboter,“ betonte Gastgeber Henrik A. Schunk, CEO des Greiferspezialisten, bei der Begrüßung der Teilnehmer. Weit über einhundert Roboterspezialisten hatten sich zur Veranstaltung in Odense eingefunden. Es war übrigens das ersten Mal, dass die Expert Days nicht am Stammsitz von Schunk in Lauffen am Neckar bzw. am Standort Brackenheim-Hausen stattfanden. Peter Rahbæk Juel, Bürgermeister der dänischen Stadt, unterstrich die geballte Robotikkompetenz, die sich bereits in und um Odense angesiedelt hat. Darauf ging auch der Keynote Speaker Søren G. Aarhus ein. Als Business Developer bringt er rund 130 Robotikfirmen aus der Region unter dem Dach des Clusters Odense Robotics zusammen. Er bestätigte: Die Stadt und ihre Umgebung haben sich komplett auf die Robotik eingestellt und sind außergewöhnlich offen für neue technologische Ansätze.

Aus Sicht von Jeff Burnstein, Association for Advancing Automation, entscheidet weniger die Pionierleistung als vielmehr die gobale Aufmerksamkeit über den Erfolg eines Servicerobotikanbieters am Markt. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Aus Sicht von Jeff Burnstein, Association for Advancing Automation, entscheidet weniger die Pionierleistung als vielmehr die gobale Aufmerksamkeit über den Erfolg eines Servicerobotikanbieters am Markt. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Im Fokus der Servicerobotik

Die Chairmen Martin Hägele, hauptberuflich Geschäftsführer des Fraunhofer IPA, und Søren Peter Johansen vom Danish Technological Institute führten durch das Programm des zweitägigen Kongresses. Im Fokus lagen die Themen Healthcare, Logistik, Technologie, mobile Robotik und Sicherheit. Wie die Zukunft der europäischen Robotik im Gesundheitsbereich aussieht, dazu referierte Stefano Stramigioli, Professor an der Universität Twente. Wolfgang Ptacek zeigte, wie Roboter am Austrian Centre for Medical Innovation und Technology nicht nur für medizinische Prozesse eingesetzt werden, sondern auch in der Pathologie und Forensik.

„Towards Open Robotics“ lautete das Motto der 11. Schunk Expert Days on Service Robotics. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Vision vom Haushaltsroboter

Das maschinelle Lernen war ein zentrales Thema auf der Veranstaltung. Bereits im Jahr 1969 proklamierte ein Fernseh-Werbespot für Serviceroboter, die im Haushalt helfen: Solche Roboter werden bald zum Einsatz kommen. Doch warum hat sich diese Prophezeiung nicht bewahrheitet? Mit dieser Frage startete Prof. Jan Peters seinen Vortrag. Die Antwort: Der Hemmschuh sei vor allem die lange fehlenden Fortschritte beim maschinellen Lernen. Entsprechend forscht er an der Uni Darmstadt, wie man einem Roboter das Tischtennis spielen beibringen kann. Die besten Ergebnisse erzielen Peters und sein Team durch die Kombination von Imitation und Reinforcement Learning. „Mit den heutigen Entwicklungen lassen sich bereits viele Szenarios für die Servicerobotik abdecken“, sagte Peters und gestand abschließend, er habe die Hoffnung auf den Haushaltsroboter noch nicht ganz aufgegeben.

Reger Andrang herrschte bei der Vorführung der Cobots am DTI. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Reger Andrang herrschte bei der Vorführung der Cobots am DTI. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Weiche Schale, harter Kern?

Noch einen Schritt weiter ging Jamie Paik, Professorin der Universität Lausanne, im Vortrag ‚Hard Challenges of Soft Robotics‘. Ihre These: Damit Roboter stärker in unsere Gesellschaft einziehen können, muss man sie prinzipiell anders ausrichten und aufbauen. Denn harte Kinematiken, die immer die gleiche Aufgabe wiederholen, können sich in den andauernd verändernden Umgebungen der Öffentlichkeit nicht zurechtfinden. Stattdessen bedarf es flexibler bzw. softer Kinematiken bzw. Strukturen, die sich eigenständig und smart kontinuierlich der Umwelt anpassen. Paik erklärte auf den Expert Days die Matrix der benötigten Eigenschaften und deren Abstimmung. Schließlich muss ein flexibler Roboter mal präzise sein, mal kraftvoll sein oder in anderen Fällen hohe Freiheitsgrade mitbringen.

Die Initiative

Die Initiative „Google Cloud Robotics“ war Inhalt des Vortrags von Nils Jul Jacobsen von Mobile Industrial Robots. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Standards für neue Technologien

Thomas Pilz, Geschäftsführer des Safety-Spezialisten Pilz, sprach über die Herausforderung, möglichst schnell Normen und Standards für MRK einzuführen – quasi im Nachhinein, weil die Technologie ja bereits auf dem Markt verfügbar ist. Er zeigte entsprechend auf, wie die ISO/TS15066 mit ihren verschiedenen Sicherheitseinschätzungen Neuland betreten hat – zumindest was den Einsatz von Kraft/Momenten-Sensorik angeht. Doch es sind Lücken und Unklarheiten offen geblieben, die eine Abnahme von MRK-Applikationen erschweren. In diese Grauzone hinein spielt z.B. das unterschiedliche Schmerzempfinden bei Menschen. Zudem beschreibt die ISO/TS15066 nicht exakt, wie Druck und Kraft bei der Abnahme überhaupt zu messen sind. Deshalb lässt die Richtlinie in der aktuellen Form oft keine einheitliche Bewertung von Risiken und Gefahren zu – spätestens dann, wenn es um unvorhersehbares Verhalten von Menschen in der Applikation oder bewusstes Fehlverhalten geht.

Neuheiten für die Servicerobotik

Auf den Schunk Expert Days wurden auch verschiedene Neuheiten vorgestellt. So z.B. die Software Tools des jungen Unternehmens Drag&Bot: Deren Gründer und Geschäftsführer Martin Naumann unterstrich, wie aufwändig und kostspielig der Einsatz von Robotern immer noch ist. Nicht nur in Bezug auf die Hardware: Gerade Programmieraufwand und die Bezahlung entsprechender Spezialisten machen einen großen Teil der Gesamtkosten aus. Hier setzt das Unternehmen, ursprünglich ein Spin-off vom Fraunhofer IPA, mit seiner web-basierten Programmieroberfläche an. Wie einfach sich die Software bedienen lässt zeigte Naumann anschaulich in einer Live-Demo: Roboter und Peripherie auswählen, ein paar Parameter einstellen und anschließend per Drag&Drop die Bewegungen, Aktionen und I/O-Signale für das Roboterprogramm zusammenstellen. Eine sensitive Schutzhaut präsentierte das Wiener Unternehmen Blue Danube in Odense. Airskin kann klassische Kinematiken absichern oder die Taktzeit von Cobots erhöhen. Neu entwickelt hat das Unternehmen nun auch einen modularen Airskin-Baukasten, mit dem sich Roboter unabhängig vom Modell oder der Größe absichern lassen. Über eine Neuheit aus der klassischen Servicerobotik referierte Oliver Stahl. Sein Unternehmen Robotise hat einen mobilen Roboter mit dem Namen Jeeves entwickelt. Er kommt als Mischung aus Room Service, Minibar und Entertainment System vor allem im Hotelgewerbe sehr gut an.

Einblicke in die Praxis und Ausblick

Zum Ausklang der Expert Days eröffnete Schunk den Kongressteilnehmern die Möglichkeit zu spannenden Einblicken in die Praxis – zum einen in der Fertigung am Stammsitz des Cobot-Marktführers Universal Robots und zum anderen im Danish Technological Institute, das sehr viel im Bereich Robotik forscht und entwickelt. In seinen Abschlussworten zog Henrik A. Schunk ein positives Fazit: „Vermutlich waren es die bisher besten Expert Days.“ Er freue sich schon auf die Veranstaltung im nächsten Jahr. Dann könnten unter anderem die Themen künstliche Intelligenz und offene, flexible Programmierumgebungen wie ROS im Fokus stehen. (mby)

SCHUNK GmbH & Co. KG
www.schunk.de

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