Industrieroboter: Komplettausstattung serienmäßig

Neue Entwicklungen in der Robotik

Industrieroboter: Komplettausstattung serienmäßig

Seit fast 50 Jahren stellt Kawasaki Robotics Industrieroboter her, seit rund 20 Jahren gibt es das deutsche Vertriebsbüro in Neuss. ROBOTIK UND PRODUKTION unterhielt sich mit Carsten Stumpf, General Manager Sales & Marketing, und Olaf Schweer, Senior Manager Service Department, unter anderem über das Umfeld für Industrierobotik in unterschiedlichen Ländern, die Chancen von MRK sowie weitrere aktuelle und zukünftige Trends.

„Unsere Produkte zeichnen sich durch eine sehr offene Steuerung und Kommunikation mit der Peripherie aus.“ Carsten Stumpf, General Manager Sales & Marketing, Kawasaki Robotics (Bild: Kawasaki Robotics GmbH)

Bereits im Jahr 1968 erwarb Kawasaki die Lizenz für den industriellen Einsatz des Unimate-Roboters der von Joe Engelberger, dem amerikanischen ‚Vater der Robotik‘, gegründeten Firma Unimation. Wie in ROBOTIK UND PRODUKTION 1/2016 nachzulesen ist, stieß Engelberger damals noch auf erheblichen Widerstand, als es darum ging, die Robotik in seinem Heimatland USA zu etablieren. Sind die Japaner diesem Thema gegenüber grundsätzlich positiver eingestellt als andere Nationen?

Carsten Stumpf: Generell kann man sagen, dass die Japaner im besten Sinne sehr experimentierfreudig sind und einfach Spaß daran haben, Dinge auszuprobieren. Das zeigt sich auch daran, dass sich Japan bereits um das Jahr 1870 herum dem Westen gegenüber geöffnet und gezielt Vertreter anderer Nationen eingeladen hat, um an deren technologischen Entwicklungen teilzuhaben. Auf diese Weise sind die Japaner zahlreiche Kooperationen eingegangen, die dem Land sehr geholfen und es technologisch nach vorne gebracht haben. Diese Haltung, neuen Dingen gegenüber aufgeschlossen zu sein und diese ggf. zu übernehmen, gibt es bis heute. Sie ist tief in der japanischen Mentalität verwurzelt. In anderen Erdteilen ist man da häufig viel reservierter. Nehmen wir beispielsweise das Thema kollaborierende Roboter: Dieses ist in Asien viel stärker auf dem Vormarsch als beispielsweise in Europa. Auch hier sind die Berührungsängste in Japan deutlich geringer. Sind solche Themen einmal etabliert, werden sie dann allerdings sehr behutsam vorangetrieben. Bereits Ende der 60er-Jahre hat Engelberger also mit seinem Unimate in Japan offene Türen eingerannt, im Vergleich dazu, was er in Amerika vorgefunden hat.

Olaf Schweer: Gerade bei kleineren oder mittelgroßen Unternehmen ist in Japan die Offenheit der potenziellen Robotikanwender wesentlich größer als bei uns, wo Hightech häufig als abschreckend empfunden wird.

Welche Industriebereiche bedient Kawasaki mit seinen Robotern?

Stumpf: Das fängt bei der Automobilindustrie an – wir sind z.B. einer der größten Kooperationspartner führender Automobilproduzenten. Diese Kunden betreuen wir nicht nur in Japan, sondern weltweit. Man kann sagen, dass wir mit der Automobilindustrie gewachsen sind. Mittlerweile haben wir allerdings auch eine gute Verbreitung in anderen Industriebereichen: Packen und pallettieren ist ein Steckenpferd, lackieren ist ein weiteres großes Betätigungsfeld.

Schweer: Stark vertreten sind wir auch in der Halbleiterindustrie, da sind wir Weltmarktführer.

Was unterscheidet Ihre Produkte und Services von denen Ihrer Marktbegleiter?

Stumpf: Unsere Produkte zeichnen sich durch eine sehr offene Steuerung und Kommunikation mit der Peripherie aus. Grundsätzlich sind wir als Unternehmen sehr konservativ, was einerseits bedeutet, dass wir nicht jedes zweite Jahr das Rad neu erfinden. Andererseits bieten wir aber eine große Zuverlässigkeit bei unseren Robotern, was sich in hohen MTBF-Werten bemerkbar macht. Trotz der langen Produktlaufzeit gibt es bei den bestehenden Systemen selbstverständlich immer wieder Verbesserungen, nicht zuletzt aufgrund von Kundenanregungen. Ein weiteres herausragendes Produktmerkmal ist die Einfachheit unserer Roboterprogrammierung. Bei einer simplen Anwendung kann auch die Programmierung einfach gehalten werden. Natürlich kann diese auch beliebig komplex aufgebaut werden. Für viele Applikationen, gerade auch bei kleineren oder mittelgroßen Unternehmen, reicht aber ein einfaches Roboterprogramm völlig aus. Das trägt natürlich auch zur problemlosen Handhabbarkeit seitens des Anwenders bei. Zudem sind unsere Roboter unmittelbar nach dem Kauf einsetzbar. In der Regel bieten wir noch viele Features, die der Anwender zunächst gar nicht einfordert und die ihm im Nachhinein das Leben erleichtern können. Bei uns gibt es sozusagen die Komplettausstattung serienmäßig.

1995 gründete Kawasaki Robotics die Niederlassung in Deutschland. Wie hat sich das Geschäft in den letzten 20 Jahren entwickelt?

Schweer: Generell kann man konstatieren, dass der europäische Markt hinsichtlich seiner Ansprüche sehr gleichmäßig ist. Vom Volumen her ist für Kawasaki der italienische Markt der bedeutendste, weil dort insbesondere in Norditalien die Metallverarbeitung sehr stark ist. In Deutschland, wo wir kürzlich unseren 20. Geburtstag gefeiert haben, stellt die Marktsituation eine Herausforderung dar. Der Markt für Robotik hat sich hier, wie übrigens auch in Japan, in den 70er-Jahren entwickelt, und da waren wir noch nicht in Deutschland präsent. Die großen Accounts, wie beispielsweise die Automobilindustrie, wurden in den 90er-Jahren aber bereits von unseren Marktbegleitern ausgestattet.

Als besonderen Service bieten Sie Ihren Kunden ein permanentes Roboterlager zur Verkürzung der Lieferzeiten. Was bedeutet dies konkret?

Stumpf: In unserem Lager, das etwa 20 Autominuten von hier entfernt ist, haben wir die gängigsten Robotermodelle stets verfügbar. Dort sind rund 150, teilweise sogar 200 Roboter eingelagert, um die Lieferzeiten so gering wie möglich zu halten. Die Standardlieferzeiten liegen bei vier bis acht Wochen, je nach Peripherie, die von den Kunden gewünscht wird.

Hardware ist die eine Sache. Welchen Service bieten Sie Fertigungsleitern, um Roboter erfolgreich in ihre Produktion zu integrieren?

Schweer: Mit Blick auf die Kundenberatung muss man sagen, dass grundsätzlich die Integratoren sehr genaue Vorstellungen davon haben, welche Hardware in der Peripherie zu einer bestimmten Anwendung zum Einsatz kommen soll. Wenn jemand hier Beratungsbedarf hat stehen wir selbstverständlich gerne zur Seite und knüpfen die entsprechenden Kontakte.

Stumpf: Im Bereich Services würde ich allerdings unsere Schulungen explizit hervorheben. Dabei bieten wir unseren Kunden Standardschulungen zu unseren Produkten, aber auch applikations- oder kundenspezifische Schulungen. Besonderen Wert legen wir dabei auf einen hohen Praxisanteil, da hierbei der Lerneffekt am größten ist.

Auf der diesjährigen Hannover Messe haben Sie mit dem DuAro einen kollaborierenden Zweiarmroboter vorgestellt. Wie sehen Sie die Entwicklung beim Kollegen Roboter?

Schweer: Mein Eindruck, den ich von Messen wie der Hannover Messe mitgenommen habe, ist, dass das Interesse an kollaborierenden Robotern sehr hoch ist und dass die potenziellen Kunden in ihren Betrieb tatsächlich aktiv nach möglichen Anwendungen suchen. Es gibt häufig klare Vorstellungen davon, wie Maschine und Mensch bei ihrer Arbeit zusammengebracht werden können.

Stumpf: Allerdings ist die Unsicherheit bei den Interessenten ebenfalls noch sehr hoch. Es gibt immer noch großen Informationsbedarf, wie solche Roboter eingesetzt werden können und ob diese wirklich sicher sind. Allerdings verlieren die Leute aufgrund der kompakten Bauweise der Roboter sowie einer eher vorsichtigen Arbeitsweise auch schnell die Angst. Das ist natürlich einerseits gut, aber man muss auch immer wieder ins Bewusstsein rücken, dass es sich um eine Maschine handelt.

Gibt es diese Unsicherheit vielleicht auch, weil das Robotikrecht noch in den Kinderschuhen steckt?

Stumpf: In der Tat ist das Robotikrecht bisher ein noch relativ undefinierter Bereich. Hier betritt man Neuland. Auch hinsichtlich der Normungen sind wir in einem Entwicklungsprozess. Zwar gibt es jetzt eine erste Fassung der TS15066, die Unternehmen bei der Risikoanalyse hinsichtlich der Einführung kollaborierender Roboter unterstützt. Bis hier aber Rechtssicherheit besteht, wird noch einige Zeit vergehen. Es ist also insgesamt ein in der Entwicklung befindliches, spannendes Thema.

Welche wichtigen Trends sehen Sie in der Robotik in den nächsten fünf bis zehn Jahren?

Stumpf: Abseits der Industrieroboter denke ich, dass die unterstützenden Roboter im Haushalt zunehmen werden. Die Industrieroboter sind weitgehend ausgereift und in vielen verschiedenen Varianten vorhanden. Abgesehen von den kollaborierenden Funktionen wird hier meiner Ansicht nach nicht mehr allzu viel passieren.

Schweer: Meiner Meinung nach landen wir hier wieder bei dem Thema Industrie 4.0. Die nächsten Hauptentwicklungsschritte in der Robotik werden nicht in der Mechanik liegen, die tatsächlich weitgehend ausgereift ist. Es wird darum gehen, Software – Architekturen zu schaffen, die im Hinblick auf eine am Bedarf orientierte Fertigung Industrieroboter, kollaborierende Roboter und Serviceroboter effizient mit der gesamten Produktionsanlage vernetzt. Und zwar so, dass dies visuell wahrnehmbar wird und die notwendigen Daten so transferiert werden, dass auf Veränderungen rasch reagiert werden kann.

Kawasaki Robotics GmbH
www.kawasakirobot.de

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