Dr. Oliver Vietze, CEO und Chairman der Baumer Group, im Interview

Dr. Oliver Vietze, CEO und Chairman der Baumer Group, im Interview

Mehrwert nutzbar machen

Sensoren und Bildverarbeitung sind wichtige Größen, um Industrie 4.0 umfassend umsetzen zu können. Aber was müssen beide heute leisten, damit sie den Ansprüchen der Anwender gerecht werden? Wie viel Potenzial bietet dabei das Applikationsfeld der Robotik? Um dies herauszufinden sprachen wir mit Dr. Oliver Vietze, CEO und Chairman der Baumer Group.

Vor rund zehn Jahren hat die Branche sicher zu viel versprochen bezüglich Einfachheit bei der Nutzung von verarbeitungslösungen. (Bild: Baumer Group)

Vor rund zehn Jahren
hat die Branche sicher zu
viel versprochen bezüglich
Einfachheit bei der Nutzung von
Bildverarbeitungslösungen. (Bild: Baumer Group)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Was muss ein Sensorhersteller heutzutage tun, damit er erfolgreich ist?
Dr. Oliver Vietze: Sensoren sind eine Schlüsselkomponente zur Realisierung einer smarten Produktion oder von Industrie-4.0-Szenarien. Der Bedarf an Sensoren wird also grundsätzlich weiter steigen. Wir sehen drei Handlungsfelder bei unseren Kunden: Flexibilisierung der Anlagen hin zur Stückzahl 1, Erhöhung der Maschineneffizienz sowie die Reduktion der Gesamtkosten einer Anlage. Die IO-Link-Schnittstelle erlaubt die Digitalisierung bis ganz unten in die Produktionsanlagen. Die Herausforderung besteht nun darin, diese Möglichkeiten mit Mehrwert nutzbar zu machen. Hierfür bedarf es einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Sensorhersteller und dem Maschinen- oder Anlagenbauer, um gemeinsam neue Lösungen mit echtem Kundennutzen zu entwickeln.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie kann man sich überhaupt noch vom Wettbewerb abheben?
Dr. Vietze: Gerade das Feld der vernetzten, intelligenten Sensoren bietet viele Möglichkeiten zur Differenzierung. IO-Link ist ja erst einmal nur eine Schnittstelle und sagt nichts über die Leistungsfähigkeit des Sensors aus. Nehmen wir z.B. unsere neuesten induktiven Abstandssensoren der Familie AlphaProx mit IO-Link. Mit einer Messgenauigkeit von bis zu 3µm bzw. einer Schaltfrequenz von 1,25kHz gehören sie zu den schnellsten und präzisesten am Markt. Die Kommunikation findet dabei vollständig digital über IO-Link statt. Einen Analogausgang gibt es nicht mehr. Dabei stehen gleichzeitig ein Messwert sowie vier Schaltsignale als Prozessdaten zur Verfügung. Weiter sind azyklische Diagnosedaten, wie die Anzahl der Schaltzyklen, die Betriebszeit, Boot-Zyklen, Histogramme der Prozessdatenwerte und der Betriebsspannung sowie die Gerätetemperatur verfügbar. Je autonomer ein automatisierter Prozess ist, desto zuverlässiger und präziser müssen Sensordaten sein.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welche Rolle wird die Bildverarbeitung zukünftig in der Automatisierungstechnik spielen?
Dr. Vietze: Die Bildverarbeitung ist fester Bestandteil der Automatisierungstechnik und nicht mehr wegzudenken. Ihre Bedeutung wird sicher künftig weiter steigen. Ein Applikationsfeld mit viel künftigem Potenzial ist die Robotik. Viele Aufgaben können heute noch nicht wirtschaftlich gelöst werden, unter anderem weil Robot Vision einfach noch zu teuer und aufwendig ist. Wir arbeiten daran, Vision-Sensoren direkt mit der Robotersteuerung zu verknüpfen. Auf der SPS stellen wir eine neue Version unserer
VeriSens-Vision-Sensorfamilie vor. Die VeriSens-UR-Sensoren zeichnen sich durch eine besonders einfache Integration in das Produktportfolio des dänischen Cobot-Hersteller Universal Robots aus. Dabei lassen sich Lösungen komplett ohne SPS oder PC realisieren. Kosten für Roboterapplikationen werden dadurch erheblich reduziert.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Warum wird es dieses Mal mit den Vision-Sensoren funktionieren: Vor über zehn Jahren ist der erste Aufschlag der Geräte bei allen Herstellern zumindest nicht von großem Erfolg gekrönt gewesen?
Dr. Vietze: Vor rund zehn Jahren hat die Branche sicher zu viel versprochen bezüglich Einfachheit bei der Nutzung von Bildverarbeitungslösungen. Fakt ist, dass es auch heute in sehr vielen Anwendungen (noch) nicht ohne Bildverarbeitungs-Knowhow geht. Wir bei Baumer legen in unseren neuesten Produkten sehr viel Wert auf Einfachheit und Ergonomie in der Bedienschnittstelle.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Inwieweit hilft es, dass sich mittlerweile Steuerungshersteller wie Beckhoff oder B&R ebenfalls mit dem Thema Machine Vision beschäftigen?
Dr. Vietze: Das zeigt erst mal grundsätzlich, dass das Thema immer noch heiß ist. Den Einstieg der beiden Steuerungshersteller in das Thema Machine Vision verfolgen wir selbstverständlich mit Interesse. Publicity schadet dem Thema erst mal nicht.

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