Interview mit Frank Blase, Geschäftsführer von Igus

Interview mit Frank Blase, Geschäftsführer von Igus

„Früher dran als der Markt“

Einfach konfigurieren und kostengünstig automatisieren: Igus will mit seinem Robolink-Programm einen Baukasten aus Kunststoffkomponenten und vormontierten Lösungen zur Verfügung stellen, mit dem der Anwender in der Robotik eine Vielzahl an Low-Cost- und Leichtbaulösungen realisieren kann. Im Gespräch mit der ROBOTIK UND PRODUKTION spricht Igus-Chef Frank Blase über das Potenzial und das Anwendungsspektrum. Er erklärt auch, welchen Markt es heute bereits gibt und welche Erwartungen er in das Robotikgeschäft bei Igus legt.

Eigene Erfahrungen sammeln und Anwendungs-Know-how aufbauen - so der Anspruch von Igus-Chef Frank Blase beim Thema Low Cost Robotics. Entsprechend sind in der Fertigung des Unternehmens in K?ln auch schon einige Leichtbaukinematiken im Einsatz. (Bild: Igus GmbH)

Eigene Erfahrungen sammeln und Anwendungs-Know-how aufbauen – so der Anspruch von Igus-Chef Frank Blase beim Thema Low Cost Robotics. Entsprechend sind in der Fertigung des Unternehmens in Köln auch schon einige Leichtbaukinematiken im Einsatz. (Bild: Igus GmbH)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Das heißt, Sie haben Ihr Angebot für die Robotik komplett neu aufgestellt?

Blase: Nicht unbedingt – wir haben es vielmehr deutlich erweitert. Denn es ist auch gut möglich, die ursprünglichen Seilzugkomponenten mit den neuen Bauteilen aus dem Baukasten in einer Lösung zu kombinieren. Zusammengenommen bieten wir damit ein spannendes Low-Cost-Sortiment für die Robotik, das nicht nur kostengünstig ist, sondern auch leichte, schmierfreie und leise Anwendungen ermöglicht.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welchen Kundenkreis sprechen Sie damit an?

Blase: Wir wollen vor allem unsere Maschinenbaukunden mit den Robotikelementen unterstützen – überall dort, wo es nicht um ausgesprochen hohe Lasten und Kräfte geht. Im Moment sind wir aber selbst noch unser größter Kunde. Denn wie so oft sind wir mit unserem Kunststoffansatz früher dran als der Markt, was uns aber die gute Gelegenheit gibt, in der eigenen Produktion noch weitere Erfahrungen zu sammeln und Know-how aufzubauen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Und wie sind die ersten Ergebnisse?

Blase: Die ersten Ergebnisse sind schon durchaus gut, aber wir lernen auch noch ständig dazu. So müssen wir z.B. in manchen Fällen noch nachjustieren, wenn es um viele Millionen Zyklen geht. Aber wir sind guten Mutes, dass wir mit unseren Angebot immer mehr Anwendungen lösen können. Unser Ziel ist es, in diesem Jahr rund 50 Systeme im eigenen Produktionsbetrieb zu installieren, und hier darf es dann natürlich nicht mehr groß zu Problemen oder Störungen kommen.

 (Bild: ?Philipp Moosbrugger)

(Bild: ©Philipp Moosbrugger)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Blase, die Robotik hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und dringt in viele neue Applikationen und Industriebereiche vor. Aus welcher Perspektive betrachten Sie bei Igus diese immer weiter fortschreitende Roboterisierung?

Frank Blase: Ich bin davon überzeugt, dass wir mit unserem Know-how und unserer Erfahrung im Gebiet der Motion Plastics, der Hochleistungskunststoffe für bewegte Anwendungen, einen Teil zu dieser Entwicklung beitragen können. Zum einen natürlich im Bereich der Energiezuführung. Zum anderen mit unserem Robolink-Baukasten. Er macht es möglich, viele, sich wiederholende Aufgaben mit einfachen Komponenten und Steuerungsmodulen zu automatisieren, die bislang noch von Menschen erledigt werden. Und das für einen Bruchteil der Kosten, die mit klassischen Industrierobotern erforderlich wären. Wie schnell dieser Markt wächst und welche Größe er erreicht, das ist aus heutiger Sicht aber schwer zu sagen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Arbeiten Sie dabei auch mit Partnern bzw. Integratoren zusammen?

Blase: Nein, das machen wir komplett selbst. Wie gesagt, ist es uns sehr wichtig eigenes Know-how aufzubauen, auch in Bezug auf die nötigen Schnittstellen zu Steuerungen oder Vision-Systemen. Da es für Igus jedoch wirklich noch ein neuer Bereich ist, muss ich als Geschäftsführer darauf achten, dass wir uns hier nicht zu viel vornehmen und auch nicht zu viel versprechen. Insofern beliefern wir Kunden mit den Bauteilen und geben auch gerne Tipps – als Integrator werden wir aber sicherlich nicht auftreten.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Die Idee für die jeweilige Low-Cost-Applikation muss also in der Regel von Anwenderseite kommen.

Blase: Ganz klar. Wir bei Igus sind vom Werkstoff Kunststoff und dessen Potenzial für die industrielle Fertigung überzeugt. Nun muss auch der Anwender die Vielfalt der Möglichkeiten entdecken, während wir das Produkt selbst konzentrieren. Dieses Bewusstsein wollen wir mit unserem Ideenwettbewerb fördern, den wir in diesem Jahr erstmals ausgerufen haben, und hoffen, dass sich damit der Low-Cost-Gedanke in der Robotik etwas schneller etabliert und sich der Lerneffekt für alle Seiten beschleunigt. Abseits davon arbeiten wir aber gerade seit der Hannover Messe auch durchaus mit namhaften Firmen zusammen, die mit den Leichtbauarmen bereits Pilotversuche machen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Das klingt so, als gäbe es hier noch nicht sehr viel Wettbewerb für Ihr Unternehmen?

Blase: Ja. Vor allem, weil es noch ein sehr überschaubarer Markt ist. Wenn er wächst, wird aber auch die Zahl der Marktbegleiter steigen. Das haben wir ja schon in vielen anderen Bereichen gesehen – seien es Gleitlager oder Energieketten.

 (Bild: ?Chris Walter)

(Bild: ©Chris Walter)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Der Robolink-Baukasten ist ja nicht ganz neu bei Igus, sondern es gibt ihn bereits seit einigen Jahren.

Blase: Das ist richtig. Angefangen haben wir mit der Seilzugtechnik, also einem eher bionischen Ansatz. Jedoch ist es auf diese Weise oft sehr anspruchsvoll, einen Prozessschritt zu automatisieren. Aus unseren ersten Erfahrungen und von Kundenanfragen aus dieser Richtung hat sich aber bestätigt, dass es auf jeden Fall einen Bedarf für Low-Cost-Lösungen in der Robotik gibt. In der Folge haben wir auch hier unser Motion-Plastics-Kernelement fokussiert und überlegt, wie man kompakte klassische Roboterkinematiken mit Getriebe aus Kunststoff nachbauen oder nachempfinden kann. Daraus ist dann letztendlich der neue Baukasten entstanden.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Igus ist ja als Unternehmen dafür bekannt, dass es sich stark mit Tribo-Werkstoffen und dessen Eigenschaften auseinandersetzt. Wie wichtig ist dieses Engagement für den Bereich Robotik?

Blase: Ich sehe es als entscheidend: Natürlich geht es in der Anwendung auch um das Design, um Steuerung und um Software. Aber im richtigen Werkstoff liegt letztendlich die Basis für einen erfolgreichen Einsatz. Viele Anzeichen sprechen momentan dafür, dass wir mit dieser Denke richtig liegen. Ein gutes Beispiel liefern unsere neuen Zahnräder aus dem 3D-Drucker, die in Sachen Lebensdauer auf einmal alles schlagen, was bislang mechanisch gefräst wurde. D.h. auf Werkstoffseite greifen die verschiedenen Tätigkeitsbereiche von Igus sehr schön ineinander.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welchen Stellenwert erhält denn die Low-Cost-Robotik bei Igus und im Markt insgesamt zukünftig?

Blase: Durch unser Portfolio im Bereich von Energieketten und Co. beschäftigen wir uns ja schon seit Jahrzehnten mit Robotern und deren Einsatzbereichen. Dass dieses klassische Segment jetzt schnell mit dem Low-Cost-Baukasten zusammenwächst, ist, trotz gewisser Überschneidungsbereiche, aber eher unwahrscheinlich. Entsprechend sehe ich Robolink mehr als Ergänzung zu unseren anderen Baukästen wie z.B. dem Drylin-Linearangebot. Insgesamt wird die Low-Cost-Robotik aber irgendwann einen sehr hohen Stellenwert erhalten, davon bin ich überzeugt. Die Frage für Igus ist nun, welche Schlüsse wir strategisch und produkttechnisch ziehen müssen, um dann auch an diesem Erfolg teilzuhaben. Für die Antwort – um hier den Kreis wieder zu schließen – führt für uns kein Weg an ausprobieren und testen vorbei.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Besten Dank für das Gespräch, Herr Blase. (mby)

 (Bild: ?Markus Roth/Roth Technik GmbH)

(Bild: ©Markus Roth/Roth Technik GmbH)

igus GmbH
www.igus.de

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