Simulationstechnik für KMU

Griff in die Simulationskiste

Simulationstechnik verschafft Unternehmen spürbare Wettbewerbsvorteile - gerade auch, wenn es um die Verbesserung von Produktions- und Fertigungsabläufen geht. Kleine und mittlere Unternehmen tun sich bei ihrem Einsatz aber oft noch schwer und schrecken vor vermeintlichen Hürden zurück. Dabei können auch sie von Technologietrends, wie dem Digital Twin in der Robotik, profitieren - und das oft einfacher als gedacht.
Sicos BW und Forschungsinstitute, wie das Fraunhofer IPA, bieten KMU Unterstützung, was Knowhow und Rechenkapazität angeht. 
So können auch kleinere Unternehmen Simulationstechnik gewinnbringend nutzen.
Sicos BW und Forschungsinstitute, wie das Fraunhofer IPA, bieten KMU Unterstützung, was Knowhow und Rechenkapazität angeht. So können auch kleinere Unternehmen Simulationstechnik gewinnbringend nutzen.Bild: Sicos BW GmbH

Große Unternehmen nutzen das Potential von Simulationstechnik längst in seiner ganzen Breite aus. KMU haben allerdings häufig ein Problem: Weil es ihnen meist an den notwendigen (Rechen-)Ressourcen mangelt, trauen sie sich an die Materie nicht wirklich heran. So verfügen die wenigsten von ihnen über ausreichend leistungsfähige Computer oder gar große Rechenzentren. Für den hohen Rechenaufwand, den die oftmals sehr komplexen Simulationen meist erzeugen, sind diese aber durchaus von Vorteil. Darüber hinaus besitzen KMU selten das notwendige Knowhow, um die Simulationstechnik dann auch erfolgreich umzusetzen. Ohne externe Hilfestellung sind erfolgreiche Simulationsprojekte für sie deshalb selten realisierbar. Warum und wie sollten sie dennoch den Anschluss finden?

Mehrwert für die Produktion

Wie hoch der Mehrwehrt beim Einsatz von Simulationstechnik im Produktionsumfeld sein kann, zeigt die Arbeit des Fraunhofer IPA: In einem Projekt ging es z.B. um die roboterbasierte Vereinzelung chaotisch bereitgestellter Teile (Griff in die Kiste). Um in der Industrie Anwendung zu finden, muss der Roboter hierbei Bauteile schnell erkennen, sicher greifen und ablegen können. Der hohe Konfigurationsaufwand und die Notwendigkeit von Expertenwissen schränkten hierbei die Skalierbarkeit bei hoher Variantenvielfalt der Bauteile ein. Auch waren wichtige Qualitätskriterien, wie verhakungsfreies Greifen der Bauteile oder die vollständige Entleerung der Kiste, nicht immer garantiert. Die Forscher bauten deshalb eine virtuelle Lernumgebung auf (Digitaler Zwilling), in der die Roboter bereits vor der Inbetriebnahme ihre neuronalen Netze trainieren. Sprich, der Griff in die Kiste wird nur noch simuliert, die vortrainierten Netze anschließend auf den realen Roboter übertragen. Das spart Zeit und zwar bis zu 50 Prozent im Vergleich zur früheren Methodik. Die KI-basierte Objektlageschätzung liefert dabei robuste und akkurate Objektlagen in wenigen Millisekunden. Aufgrund der Selbstkonfiguration des Systems auf Basis eines CAD-Modells ist Expertenwissen für die Inbetriebnahme nicht mehr erforderlich.

Ein weiteres Beispiel aus dem Fraunhofer-IPA-Projektfundus: die Simulation von sensorrealistischen Bild- und 3D-Datensätzen für KI-Anwendungen. Für die KI-basierte Umsetzung von Machine-Vision-Aufgabenstellungen (z.B. den sogenannten roboterbasierten Griff vom Band) sind problemspezifische Datensätze erforderlich. Diese Datensätze müssen repräsentativ sein und eine ausreichende Anzahl an Beispielszenen enthalten (z.B. im Hinblick auf Beleuchtung oder Verformung). Das Erstellen der Datensätze ist in der Regel sehr zeitaufwändig und in puncto Ausbalancierung und Konsistenz der Daten meist unzureichend. Zur Lösung des Problems erstellten die Experten des Fraunhofer IPA realistische, synthetische Datensätze, indem sie Szenen oder einzelne Objekte mit physikalisch korrekten Rendering-Verfahren simulierten. Beispielhafte Anwendungsfälle (Instanzsegmentierung, Objektlageerkennung in 3D-Punktwolken und 3D-Posenschätzung aus Kamerabildern) zeigten, dass KI-Modelle, die auf diesen synthetischen Daten trainiert wurden, auch auf realen Daten genutzt werden können. Auch hier ist die Zeitersparnis groß.

Knowhow-Transfer und Rechenkapazität

Praxisbeispiele wie diese zeigen, wie sinn- und wertvoll es sein kann, Simulationstechnik zur Verbesserung von Produktionsabläufen zu nutzen – gerade auch für KMU. Sie können ihre Ressourcendefizite oft mit Hilfe geeigneter Partner überwinden, denn das Knowhow und die Rechnerkapazitäten sind am Markt vorhanden und dort für KMU zugänglich. Zahlreiche Forschungsinstitute (wie das Fraunhofer IPA), Softwarehersteller und Dienstleister sowie spezielle branchenorientierte Simulationszentren ermöglichen einen Knowhow-Transfer und/oder verschaffen KMU Zugang zu Simulationstechnik. Unterschiedliche Landes- und Bundesförderprogramme leisten finanzielle Unterstützung. Große Rechenzentren, wie z.B. das HLRS Stuttgart, bieten außerdem ihre Rechnerkapazitäten zu attraktiven und rein nutzungsbasierten Preisen an.

Beratung zu Simulation, HPC, Data Analytics und KI

Fällt die Orientierung in diesem Angebotsdschungel schwer oder geht es grundsätzlich erst einmal darum, das Potential der Simulationstechnik für das eigene Unternehmen zu erfassen, finden KMU Unterstützung bei Sicos BW. Die Organisation berät seit über zehn Jahren speziell KMU rund um die Bereiche Simulation und HPC sowie Data Analytics und KI. Die Beratungsleistung ist aufgrund finanzieller Unterstützung durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) sowie ihrer Gesellschafter neutral und kostenfrei. Die Experten von Sicos BW versorgen Unternehmen (schwerpunktmäßig in Baden-Württemberg, aber auch bundesweit) mit Informationen über Anwendungsmöglichkeiten und Werkzeuge, vermitteln bei Bedarf Zugang zu Höchstleistungsrechnern und unterstützen bei der Partnerwahl. Letztlich sollen die Unternehmen mit Hilfe von Partnern oder eigenständig in der Lage sein, Simulations- und Visualisierungstechnik sinnvoll einzusetzen und ihr Potential gewinnbringend für sich auszuschöpfen.

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Sicos BW GmbH

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