Interview mit dem deutschen Fanuc-Chef Ralf Winkelmann

Interview mit dem deutschen Fanuc-Chef Ralf Winkelmann

„Die größte Modellpalette für Automotive“

Die regionalen Platzhirsche der Robotik hatten die Automobilbau-Branche einst fest unter sich aufgeteilt. Doch im Zuge der Globalisierung verwischen diese Grenzen zunehmend. So hat der japanische Anbieter Fanuc kürzlich einen Auftrag von BMW über 3.500 Roboter erhalten. ROBOTIK UND PRODUKTION hat bei Ralf Winkelmann, dem Geschäftsführer bei Fanuc in Deutschland, zum Absatzmarkt Automotive nachgehakt.

„Der hiesige Markt ist für Fanuc der technologische Leitmarkt für Automotive weltweit, weil die deutschen OEMs die höchsten Anforderungen haben,” Ralf Winkelmann, Fanuc. (Bild: Fanuc Deutschland GmbH / Tom Maurer)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Winkelmann, welche Autos werden heute bereits mit Hilfe von Fanuc-Robotern gebaut?
Ralf Winkelmann: Fanuc arbeitet mittlerweile mit allen namhaften Automobilherstellern weltweit zusammen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Sie haben kürzlich einen Großauftrag von BMW erhalten. Welchen Stellenwert haben die europäischen Autobauer für Fanuc?
Winkelmann: Der hiesige Markt ist für Fanuc der technologische Leitmarkt für Automotive weltweit, weil die deutschen OEMs die höchsten Anforderungen haben, gerade in Bezug auf herstellerspezifische bzw. customized Lösungen. Fanuc stellt sich diesen Herausforderungen, indem in Deutschland mehr und mehr zentrale Funktionen angesiedelt werden, um eine sehr enge Schnittstelle ins japanische Headquarter sicherzustellen. Das neue europäische Entwicklungszentrum am Standort in Neuhausen ist ein gutes Beispiel dafür. Dort werden unter anderem neue Themen der deutschen Automobilhersteller aufgegriffen sowie Lösungen für die besonderen Anforderungen gemeinsam von Kollegen aus Deutschland und Japan entwickelt.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie positioniert sich Fanuc hier gegenüber den anderen großen Roboteranbietern?
Winkelmann: Die Automobilhersteller planen zunehmend mit langen Nutzungszeiten der Roboter für bis zu drei Modellzyklen, also mehr als 20 Jahre. Wir unterstützen diese Strategie durch die besonders lange Lebensdauer und Zuverlässigkeit unserer Produkte. Außerdem stellen wir für unsere Kunden eine lebenslange Ersatzteilverfügbarkeit über die gesamte Nutzungsdauer sicher. Wir sind global aufgestellt. Weltweit hat Fanuc lokale Niederlassungen überall dort, wo auch die Automobilhersteller ihre Standorte haben – um überall auf der Welt das selbe Service- und SupportNiveau bieten zu können. Weltweit haben wir 264 Standorte, die 108 Länder bedienen, mit weiter steigender Tendenz.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welches Angebotsspektrum hält Fanuc für die Automobilindustrie bereit?
Winkelmann: Wir haben die größte Modellpalette aller Roboteranbieter – von ganz klein bis ganz groß. Der weltweit stärkste Industrieroboter mit einer Traglast von 2,3t gehört zu den Top-Performern unserer Produktpalette.

ROBOTIK UND PRODUKTION: An welchen Stellen in der Wertschöpfungskette bzw. im Entstehungsprozess hat Fanuc seine Spezialgebiete und Stärken?
Winkelmann: Aufgrund der großen Modellpalette haben wir entlang des Herstellprozesses im Automobilbau vom Presswerk und dem Karosserierohbau über die Lackiererei bis hin zur Endmontage jeweils die passenden Lösungen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wo liegen aus Sicht der Robotik aktuell die großen Herausforderungen im Automobilbau? Was fordern die Hersteller hier von Ihren Lieferanten?
Winkelmann: Wir haben immer komplexere Entscheidungsprozesse der Auftraggeber. Projektentscheidungen fallen durch den schnellen Wandel und die hohe Dynamik in der Automobilindustrie immer kurzfristiger. Auch die Lieferzeiten müssen immer kürzer werden, es gibt weniger Planungssicherheit – worauf wir unter anderem mit unserem großen Warenlager in Luxemburg reagieren und weshalb wir unsere internen Prozesse stets an die neuen Entwicklungen anpassen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Verschiedene Fahrzeughersteller experimentieren gerade mit Alternativen oder Ergänzungen zur klassischen Linienfertigung. Sind Sie als Roboterhersteller auf solche Szenarien vorbereitet?
Winkelmann: Abseits einer hochautomatisierten, konventionellen Fertigungslinie spielt der Mensch weiter eine wichtige Rolle im Fertigungsablauf. Deshalb benötigen wir Roboter wie Cobots, die direkt mit den Menschen zusammenarbeiten können. Auch bei Cobots bietet Fanuc die größte Modellpalette am Markt an. Neben den bisherigen Modellen der CR-Produktfamilie hat Fanuc jetzt auch den Leichtbauroboter CRX im Programm, der in einer flexiblen Produktion schnell an neue Abläufe angepasst werden kann und dabei dennoch alle gesetzlichen und normativen Anforderungen an einen Industrieroboter erfüllt. Dazu zählen Sicherheit, Präzision, Wiederholgenauigkeit, Zuverlässigkeit und lange Lebensdauer.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Die Autohersteller haben sich schon früh mit Cobots beschäftigt. Sind diese mittlerweile in größeren Stückzahlen in Montage und Co. zu finden?
Winkelmann: Man findet Cobots derzeit noch vorwiegend in Pilotanwendungen, aber mit der zunehmenden Automatisierung auch im Bereich Montage. Mit der Weiterentwicklung der Cobots steigen hier die Einsatzmöglichkeiten weiter an.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welche neuen Technologien müssen Sie für den europäischen Markt beherrschen und abdecken?
Winkelmann: Ziel der Automobilhersteller ist es, immer mehr Prozesse zu automatisieren. Besonders großes Potenzial besteht in der Automatisierung der Endmontage, da hier bislang nur ein Automatisierungsgrad von etwa zehn Prozent realisiert wird – im Gegensatz zum bereits hochautomatisierten Karosseriebau mit einem Grad von rund 90 Prozent. Dafür muss der Roboter immer mehr Fähigkeiten mitbringen – indem er fühlt, sieht und immer mehr Werkzeuge intelligent steuern kann.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welche Rolle spielen die Engineering- und HMI-Lösungen für die Inbetriebnahme und Programmierung der Roboter?
Winkelmann: Es kommt darauf an, die spezifischen Anforderungen der Kunden in das eigene System so zu integrieren, dass dabei die Vorteile der Fanuc-Technik voll ausgespielt werden können. Neue, intuitive Menüstrukturen helfen z.B. dem Bediener, sich einfach und schnell zurechtzufinden.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wodurch können sich die Kinematiken in Karosseriebau & Co. noch voneinander unterscheiden?
Winkelmann: Zunehmend spielen Themen wie Green Production, etwa niedriger Energieverbrauch und CO2-neutrale Produktion, eine Rolle. Dabei kommt es auf energieverbrauchsoptimierte Kinematiken an – in Verbindung mit einer intelligenten Robotersteuerung. Zusammen mit einem sehr geringen Energieverbrauch und niedrigen TCO-Werten leisten wir mit unseren Robotern einen deutlichen Beitrag zur nachhaltigen Automobilproduktion.

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: ©Fröhlich Max (LVT)/Liebherr-Verzahntechnik GmbH
Bild: ©Fröhlich Max (LVT)/Liebherr-Verzahntechnik GmbH
Vorabsimulation per digitalem Zwilling

Vorabsimulation per digitalem Zwilling

Die virtuelle Inbetriebnahme einer Palettierzelle mit automatischer Beladung einer Wälzschälmaschine per Roboter von Liebherr-Verzahntechnik konnte die Projektdauer bei einem Getriebehersteller signifikant verkürzen. Die Vorabsimulation per digitalem Zwilling sparte bei der realen Inbetriebnahme Zeit und Kosten und sorgte für Planungssicherheit zum Produktionsstart.

Bild: TeDo Verlag GmbH
Bild: TeDo Verlag GmbH
Wenn das FTS mit dem Roboter…

Wenn das FTS mit dem Roboter…

Autonome mobile Roboter und kollaborierende Knickarmroboter sind zwei Evergreens im Robotik-Trendkarussell. Relativ neu ist allerdings die Möglichkeit beide Helferlein zu kombinieren. Der autonome mobile Roboter erweitert den Arbeitsbereich des Cobots oder auch eines größeren Roboters enorm und macht ihn mobil. Das bietet neue Möglichkeiten z.B. bei der Maschinenbe- und entladung, beim Werkstück- und Materialtransport oder in der Qualitätsinspektion.

Bild: Fronius International GmbH
Bild: Fronius International GmbH
Hohe Bauteilvielfalt

Hohe Bauteilvielfalt

Das österreichische Unternehmen Anton Paar fertigt Messgeräte für vielerlei Branchen. Da zunehmender
Fachkräftemangel und permanent steigende Stückzahlen intelligente Produktionslösungen erfordern, investierte das Unternehmen in eine Roboterschweißzelle von Fronius. Mit der Zelle ist es möglich, einen kompletten Schweißauftrag in einem Zug abzuwickeln, auch wenn eine Charge mehrere unterschiedliche Objekte umfasst.

Bild: SMW-electronics GmbH
Bild: SMW-electronics GmbH
Kontaktlose Übertragung von Energie und Signalen durch induktive Koppelsysteme von SMW-Electronics

Kontaktlose Übertragung von Energie und Signalen durch induktive Koppelsysteme von SMW-Electronics

Eine wesentliche Rolle auf dem Weg zur digitalen Fabrik spielt smarte Konnektivität. Zur kontaktlosen Übertragung von Energie und Signalen für die Anbindung von Sensoren und Aktoren hat SMW-Electronics induktive Koppelsysteme entwickelt. In den unterschiedlichen Bauformen können sie nicht nur zusätzlichen Nutzen ausspielen, sondern ermöglichen auch ganz neuartige Anwendungen. Endlos rotierende Robotergreifer sind nur ein Beispiel.